Berlin (epd). Im Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes gibt es unterschiedliche Auffassungen über den politischen Kurs. Während das Vorstandsmitglied Barbara John (CDU) Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider vorwarf, mit einem Auftritt bei der Linkspartei den Verband für seine eigenen politischen Interessen vereinnahmt zu haben, stellte sich der Vorsitzende Rolf Rosenbrock hinter Schneider. Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, sprach am Freitag via Twitter von einer Farce.
"Vereinnahmung eines ganzen Verbandes"
Die frühere Berliner Ausländerbeauftragte John hatte Schneiders Rede beim Parteitag der Linken in der "Berliner Zeitung" (Freitagsausgabe) einen "unmöglichen Vorgang" genannt und erklärt, darüber müsse man im Verband sprechen. "Ein Hauptgeschäftsführer kann privat in welche Partei auch immer gehen", hatte John gesagt: "Aber er kann nicht einen ganzen Verband für seine politischen Vorlieben vereinnahmen."
John bezog sich auf ein Grußwort Schneiders beim Parteitag im Mai in Magdeburg. Dort hatte er der Linken versichert, sie stehe für eine Politik des soziales Ausgleichs: "Sie hat an dieser Stelle noch nie gewackelt." Da die Linkspartei die Verteilungsfrage stelle, habe sie den Paritätischen auf ihrer Seite, hatte er weiter gesagt.
Schneider wehrte sich am Freitag gegen die Kritik und sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), er habe keinesfalls seinen Verband für seine eigenen politischen Interessen vereinnahmt. Er habe lediglich die Gemeinsamkeiten hervorgehoben: "Das ist die klassische Grußwortnummer", sagte Schneider. Man schaue, für welche der eigenen Positionen man bei welcher Partei werben könne. Solche Grußworte halte er laufend: "Den Satz habe ich wortgleich auch schon bei Grünen Landesparteitagen gesagt."
Unglückliche Verknüpfung
Unglücklich sei aber die Verknüpfung seiner Neumitgliedschaft in der Partei mit seiner Grußrede als Hauptgeschäftsführer des Paritätischen gewesen, räumte Schneider ein. Er sei als neuer "Genosse" angekündigt worden, der als Hauptgeschäftsführer des Paritätischen spreche. Diese Verquickung sei offenbar der Anlass für die Kritik an seinem Auftritt. Schneider war der Linkspartei kurz vor dem Parteitag beigetreten.
Schneider sagte weiter, er sei sich mit dem Verbandsvorsitzenden Rolf Rosenbrock einig, dass das Grußwort "völlig korrekt", die Anmoderation aber unglücklich gewesen sei. Im Übrigen sei seine Parteimitgliedschaft seine Privatsache, ebenso wie Johns Mitgliedschaft in der CDU ihre Privatangelegenheit sei.
Neben John hatten auch SPD- und Grünen-Politiker den Auftritt kritisiert. SPD-Generalskretärin Katarina Barley sagte der "Berliner Zeitung", der Paritätische sei "mit der Kombination aus Parteinahme für Benachteiligte bei gleichzeitiger parteipolitischer Neutralität in der Vergangenheit sehr gut gefahren". Der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen, Dieter Janecek, sagte, er bezweifle, dass Schneider den Mitgliedern des Paritätischen einen Gefallen getan habe.
Kein Kommentar von Wohlfahrtsverbänden
Die Linkspartei sprach von einer Farce. "Die SPD hatte nie ein Problem, wenn ihre Leute Verbände führen", schrieb der Vorsitzende Riexinger im Kurznachrichtendienst Twitter. Die Co-Vorsitzende Katja Kipping erklärte, die Vorwürfe zeugten von einer unangenehmen Doppelmoral, da John CDU-Mitglied sei. Schneider engagiere sich seit vielen Jahren im Kampf gegen Armut und fühle sich daher bei der Linken aufgehoben. Sie hätte von SPD und Grünen mehr Gelassenheit erwartet, sagte Kipping.
Andere Wohlfahrtsverbände und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, in der sich die sechs großen Verbände zusammengeschlossen haben, wollten den Streit nicht kommentieren. Der Paritätische hat derzeit die Federführung in der Bundesarbeitsgemeinschaft. Dem Wohlfahrtsverband gehören nach eigenen Angaben 10.000 eigenständige Organisationen, Einrichtungen und Gruppierungen im Sozial- und Gesundheitsbereich an, von der Aids-Hilfe über die Freien Waldorfschulen bis hin zur Hannelore Kohl Stiftung für Verletzte mit Schäden des zentralen Nervensystems.