Berlin (epd). Roland Jahn ist nach monatelangem Tauziehen nun doch erneut zum Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen gewählt worden. Der Bundestag votierte am Donnerstag in namentlicher Abstimmung mehrheitlich für eine zweite Amtszeit des 62-Jährigen. Der Journalist und frühere DDR-Bürgerrechtler war erstmals im Januar 2011 vom Bundestag in das Amt gewählt worden, das er dann im März desselben Jahres angetreten hatte. Jahns erste Amtszeit war nach fünf Jahren im März dieses Jahres abgelaufen, seither hatte er das Amt kommissarisch geleitet.
SPD wollte zunächst Zukunft der Behörde klären
Gegen die Wiederwahl Jahns hatte sich vor allem die SPD-Bundestagsfraktion lange Zeit gestemmt, weil sie erst die Zukunft der Behörde klären wollte. Bei der Abstimmung am Donnerstag votierten 511 von 570 anwesenden Abgeordneten für eine zweite Amtszeit Jahns. Insgesamt 39 Abgeordnete stimmten gegen ihn, 20 enthielten sich.
In der ersten Amtsperiode Jahns hatte vor allem dessen bis heute nicht komplett vollzogene Absichtserklärung Wellen geschlagen, sich von den knapp 50 ehemaligen Stasi-Mitarbeitern in der Unterlagen-Behörde zu trennen. Fünf Jahre danach arbeiten laut Jahn noch immer 13 ehemalige Stasi-Offiziere dort.
Stasi-Akten sollen ins Bundesarchiv
In Jahns zweite Amtszeit fallen nun strukturelle Entscheidungen über die Zukunft der Stasi-Unterlagen-Behörde. Eine Kommission unter Vorsitz des früheren sachsen-anhaltischen Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer (CDU) hatte dazu kürzlich detaillierte Vorschläge unterbreitet. Ein darauf aufbauender Antrag der Koalitionsfraktionen von Union und SPD sieht vor, dass der Bundesbeauftragte in der kommenden Legislaturperiode gemeinsam mit dem Bundesarchiv ein Konzept erarbeitet, um die Akten dorthin zu überführen. Das Recht auf Akteneinsicht für Betroffene, Wissenschaft und Öffentlichkeit soll weiterhin gewährleistet sein.
Jahn war 1983 in seiner Heimatstadt Jena Mitbegründer der oppositionellen "Friedensgemeinschaft Jena" und wurde noch im selben Jahr nach verschiedenen Protestaktionen gegen das SED-Regime ausgebürgert. Seit 1991 arbeitete er als Redakteur des ARD-Politikmagazins "Kontraste" und für den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Er verfasste nach seiner Ausbürgerung zahlreiche Fernsehbeiträge über die Opposition in der DDR.
Vorgänger Jahns im Amt waren Marianne Birthler und der heutige Bundespräsident Joachim Gauck. Die Amtszeit des Bundesbeauftragten für die Stasi-Akten beträgt fünf Jahre. Eine einmalige Wiederwahl war möglich, spätestens im Jahr 2021 müsste Jahn allerdings aus dem Amt scheiden.
Opfervertreter: Signal für weitere Aufarbeitung des SED-Unrechts
Opferverbände begrüßten die Wiederwahl Jahns. Der Vorsitzende der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), Dieter Dombrowski, sah darin ein Signal für die weitere Aufarbeitung des SED-Unrechts. Dombrowski hatte bei der Abstimmung neben Jahn auf der Besuchertribüne Platz genommen. Unions-Fraktionsvize Michael Kretschmer und der kulturpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Marco Wanderwitz (beide CDU), nannten Jahn eine "nicht nur bei den SED-Opfern, sondern auch über Partei- und Ländergrenzen hinweg anerkannte geschätzte Persönlichkeit" und ein "glaubwürdiges Sprachrohr".
Die Linken-Abgeordnete Sigrid Hupach kritisierte indes den Koalitions-Antrag "Die Aufarbeitung der SED-Diktatur konsequent fortsetzen". Damit werde die fast zweijährige Arbeit der Sachverständigen in unverschämter Weise missachtet. Ihre Fraktion stelle sich hinter die Empfehlungen der Expertenkommission, die auch Verbesserungen für die Betroffenen bedeuten würden. Stattdessen werde dies jetzt einem "parteipolitischen Machtgerangel geopfert".