Berlin (epd). "Diejenigen, die mutig für ein tolerantes und friedliches Zusammenleben einstehen, repräsentieren die ganz große anständige Mehrheit der Ostdeutschen", sagte Gleicke am Montag in Berlin auf einer Veranstaltung der Linkspartei. Dabei ging es um die wirtschaftlichen Chancen und den sozialen Zusammenhalt in der Flüchtlingsfrage in Ostdeutschland.
Die Ausländerfeinde seien "klar in der Minderheit, aber mit ihrem skrupellosen Auftreten gelingt es ihnen immer wieder, das Gesamtbild zu dominieren", sagte Gleicke. Rechtsextremismus und Rechtspopulismus gebe es auch in Westdeutschland, "aber in Ostdeutschland haben wir damit ein besonderes Problem". Immer dann, wenn Menschen "das Gefühl hätten, dass ihre Sorgen, Nöte und Bedürfnisse bei politischen Entscheidungen keine Rolle mehr spielen", würden sie empfänglich für rechte Parolen und einfache Antworten, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium.
Tiefe Ost-West-Spaltung
Nach Ansicht der Linkspartei ist die Flüchtlingsfrage nicht die Ursache für den Erfolg von AfD und "Pegida" in Ostdeutschland. Vielmehr hänge die Stärke der Rechtspopulisten mit der "fehlenden Anerkennung" vieler Ostdeutscher zusammen, sagte der Chef der Linken-Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch.
"An der Flüchtlingsfrage entzünden sich nur die bestehenden innerdeutschen sozialen Konflikte", heißt es in einem Thesenpapier zur "Ostdeutschland-Anhörung" der Linken. Gesellschaftlicher Friede könne nur über soziale Sicherheit und Anerkennung erreicht werden. Unsichere Biografien, Ideologieverlust und das Gefühl der Demütigung seien Symptome einer nach wie vor tiefen Ost-West-Spaltung.
Laut Linkspartei haben auch viele Ostdeutsche Erfahrungen mit Abwanderung und Binnenmigration. Dabei seien für den Osten Deutschlands "diejenigen Geflüchteten, die bleiben, ein Segen". Der Osten sei auf Zuwanderung angewiesen. Als Beispiele werden dabei der Fachkräftemangel, unbesetzte Ausbildungsplätze, der Wohnungsleerstand, Abwanderung und die Rettung von Schulstandorten genannt.
Auch der frühere Bürgermeister von Tröglitz (Sachsen-Anhalt), Markus Nierth, war zu der Anhörung eingeladen. Ein Jahr nach Ankunft der ersten Flüchtlinge in Tröglitz rief er dazu auf, in der Flüchtlingsdebatte die schweigende Mitte zurückzugewinnen. Soziale Gerechtigkeit als politisches Ziel allein reiche nicht aus, sagte Nierth. Nötig sei wieder mehr Mitmenschlichkeit in der Gesellschaft. "Emotionale Bildung bleibt bislang auf der Strecke", sagte Nierth mit Blick auf die seiner Ansicht nach unzureichenden Lehrpläne für die Schulen.
Auszeichnung für Engagement
Mit Blick auf den Zuspruch für Rechtspopulisten sagte der Theologe weiter, Grund dafür seien eigentlich nicht die Flüchtlinge, sondern die "Unbarmherzigkeit der Gesellschaft": "Die Flüchtlinge sind nur der Anlass, nicht der Grund", sagte der ehemalige Bürgermeister von Tröglitz.
Nierth hatte überregionale Bekanntheit erlangt, als er im März 2015 sein Amt als ehrenamtlicher Bürgermeister niederlegte, weil er sich wegen Konflikten um eine Flüchtlingsunterkunft von Rechtsextremisten bedroht sah. Am 7. Juni 2015 kamen dann die ersten Flüchtlingsfamilien in dem Ort an. Nierth wurde im Mai für sein Engagement gegen Rechtsextremismus mit dem Karl-Steinbauer-Zeichen der evangelischen Pfarrbruderschaft ausgezeichnet.