Pro und Kontra: Bedingungsloses Grundeinkommen
Ein fester Betrag, den der Staat jedem Bürger überweist: Das sieht das bedingungslose Grundeinkommen vor. Die Schweizer stimmen am Sonntag darüber ab. Wäre das sinnvoll? Argumente von den Wissenschaftlern Michael Opielka und Christoph Butterwegge.

Frankfurt a.M. (epd). Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ist, dass jeder Bürger vom Staat einen festen Betrag erhält - ohne Gegenleistung und unabhängig vom Bedarf. Die Schweizer stimmen am Sonntag darüber ab, ob jeder ein solches Einkommen in Höhe von 2.500 Franken bekommt. Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens würde eine Gesellschaft stark verändern. Was spricht dafür, was dagegen? Argumente von dem Befürworter Michael Opielka und dem Kritiker Christoph Butterwegge.

PRO

Ungleichheit: Die Erfahrung von sozialer Ungleichheit erzeuge zunehmend Verdruss bei vielen Menschen, sagt der Befürworter Michael Opielka, Professor für Sozialpolitik an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. "Das garantierte Grundeinkommen würde zumindest die Ungleichheit im unteren Einkommensbereich wirkungsvoll bekämpfen, weil es das beste Mittel im Kampf gegen Armut ist." Niemand wäre mehr materiell arm, wenn das Grundeinkommen etwa so viel betrage wie die heutige Armutsgrenze, also rund 1.000 Euro für einen Erwachsenen, erläutert Opielka.

Gefühl von Sicherheit: "Immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass es ihnen in Zukunft nicht besser gehen wird. Sie fühlen sich unsicher", sagt Opielka. Das Grundeinkommen sei ein Sicherheitsversprechen. "Das war auch bisher die Leistung des Sozialstaats. Aber für die Menschen am unteren Rand gibt es nicht genug Sicherheit. Das würde sich ändern." Es bestehe auch nicht die Gefahr, dass dann viele Menschen nicht mehr arbeiten würden, weil den meisten das Grundeinkommen nicht ausreichen werde, fügt Opielka hinzu: "Aber das Mehr an Sicherheit würde zu mehr Freiheit bei der Arbeit führen."

Impuls für Migrationspolitik: Als weiteres Argument komme hinzu, dass das Grundeinkommen ein Impuls für die Politik wäre, die Einwanderungspolitik auf klare Grundlagen zu stellen, sagt Opielka. "Die Gesellschaft müsste eindeutig klären, wem sie nach welchen Kriterien nur auf Zeit einen Schutz vor Verfolgung gewährt. Und wen sie dauerhaft aufnimmt, dem würde dann auch das Recht auf das Grundeinkommen garantiert."

KONTRA

Gerechtigkeitsverständnis: Jeder Bürger bekommt bei einem Grundeinkommen den gleichen Betrag. "Dahinter steckt ein merkwürdiges Verständnis von Gerechtigkeit", sagt der Kritiker Christoph Butterwegge, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Köln. Er befürchtet, dass ein solches Konzept den Wohlfahrtsstaat zerstören würde: "Bislang gilt in allen Sozialstaaten das Prinzip der Bedarfsgerechtigkeit, wonach viel bekommen soll, wer wenig hat, und wenig, wer viel hat. Ein Multimillionär braucht kein Grundeinkommen, und wenn man es ihm vorenthält oder wegbesteuert, ist es nicht bedingungslos." Folge man der Konstruktionslogik eines Grundeinkommens, dürften daneben keine weiteren staatlichen Leistungen existieren, erläutert Butterwegge. "Auch das wäre höchst ungerecht. Denn besonders arme und kranke Menschen, die nichts hinzuverdienen können, müssten ihren Lebensunterhalt ausschließlich mit dem Grundeinkommen bestreiten."

Finanzierung: Die Finanzierung sei die Achillesferse des Grundeinkommens, sagt Butterwegge. Bei einem Betrag von 1.000 Euro monatlich für alle Bürger würde es den Staat rund eine Billion Euro pro Jahr kosten. Das sei mehr als drei Mal so viel, wie bislang der Bundeshaushalt umfasst, und kaum zu finanzieren. Manche Befürworter plädieren dafür, die Verbrauchssteuern zu erhöhen. Butterwegge hält das nicht für sinnvoll: "Damit würde man hauptsächlich die Armen treffen, weil sie ihr ganzes Einkommen in den Alltagskonsum stecken, während die Reichen nur einen geringen Teil ihres Einkommens ausgeben und den Brillantring für die Freundin notfalls in einem anderen Land kaufen."

Kombi-Lohn: Ein Grundeinkommen schaffe faktisch einen Kombi-Lohn für alle, erklärt Kritiker Butterwegge. Geringverdiener würden das Grundeinkommen mit ihrem Lohn aufstocken. "Dadurch würde der Niedriglohnsektor vermutlich größer als heute werden", prognostiziert Butterwegge. Und er gibt zu bedenken: Armut sei immer relativ zu sehen. Wer nur vom Grundeinkommen lebe, sei ein armer Mensch, weil das ja alle Bürger zur Verfügung hätten. "Der entsprechende Basisgeldbetrag wäre dann weniger wert als heute", sagt Butterwegge. "Hieraus würde letztlich doch wieder ein Erwerbszwang resultieren."