Ermittlungen wegen Gewalt in Mainzer Kindergarten eingestellt
Berichte über Fälle schweren Missbrauchs unter Kindern in einer katholischen Tagesstätte sorgten vor einem Jahr für Empörung. Doch Beweise dafür fanden sich nicht.

Mainz (epd). Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen wegen angeblicher Gewaltexzesse in einem katholischen Mainzer Kindergarten eingestellt. Während der fast einjährigen Ermittlungsarbeit hätten sich keine Beweise für eine Verletzung von Fürsorgepflichten oder Körperverletzungsdelikte ergeben, teilte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller am Freitag mit. Die schweren Vorwürfe über Fälle von Gewalt und Missbrauch unter Kindern der Einrichtung hatten im Sommer 2015 bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Das Bistum Mainz äußerte sich über die Einstellung der Ermittlungen erleichtert und räumte ein, auf die Anschuldigungen gegen das Personal falsch reagiert zu haben.

Befragungen "suggestiv beeinflusst"

Eltern hatten von eklatanten Missständen in der Einrichtung berichtet. So seien Kinder von Gleichaltrigen unter Morddrohungen gezwungen worden, sich nackt auszuziehen, auf die Genitalien geschlagen und erpresst worden, ohne dass Erwachsene dagegen einschritten. Die Staatsanwaltschaft erklärte dazu nun, es gebe keinen Beweis dafür, dass "diese gravierenden sexuellen, herabwürdigenden oder gewalttätigen Verhaltensweisen zwischen den Kindern überhaupt und in der geschilderten Weise stattgefunden haben".

"Vielmehr ist davon auszugehen, dass die erhobenen Vorwürfe letztlich auf unbewusst suggestiv beeinflussten Befragungen von Kindern durch ihre Eltern und dem interpretierenden Austausch von dabei gewonnenen Informationen zwischen Eltern beruhen", heißt es in der Mitteilung. Belegbar sei, dass Kinder sich "aufgrund spielerischer Neckereien und Streiche oder von sonstigen alterstypischen kindlichen Verhaltensweisen freiwillig entblößt haben bzw. ihnen die Hose durch ein anderes Kind heruntergezogen wurde". Anhaltspunkte für Gewalt oder Drohungen bestünden nicht.

Bestätigt sieht die Staatsanwaltschaft den Eindruck, die katholische Kindertagesstätte im Mainzer Vorort Weisenau sei "chaotischer" und lauter gewesen als vergleichbare Einrichtungen. Der Eindruck, die Erzieherinnen seien überfordert gewesen, sei durch die Ermittlungen verstärkt worden.

Bistum ist erleichtert

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe war die Einrichtung im Vorort Weisenau im Juni 2015 geschlossen worden. Das katholische Bistum hatte den sechs Erzieherinnen und einem Erzieher wegen Verletzung der Aufsichtspflicht fristlos gekündigt. Alle bislang verhandelten Kündigungsschutzklagen gegen das Bistum endeten mit einem Erfolg für die Beschäftigten.

Der Mainzer Diözesanadministrator Dietmar Giebelmann äußerte sich erleichtert über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. "Ich würde heute vor allem mit den Mitarbeitern einzeln sprechen, nicht nur in der Gruppe", sagte er: "Außerdem würde ich eine Freistellung auf Zeit aussprechen statt einer fristlosen Kündigung. Damals standen wir enorm unter Druck." Ein früheres Arbeitsverhältnis werde seit April in einer anderen Kindertagesstätte des Bistums fortgeführt, ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht sei noch nicht abgeschlossen. Die Kindertagesstätte in Weisenau werde Anfang Oktober mit neuem Personal wieder eröffnet.