Berlin (epd). In der Anhörung des Rechtsausschusses bezeichneten Juristen und Vertreter von Opferverbänden das Vorhaben der Regierung zwar als einen Schritt in die richtige Richtung, der große Schutzlücken für Opfer sexuellen Missbrauchs schließe. Dennoch gebe es weiter Verbesserungsbedarf bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention, die alle nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen unter Strafe stellt.
Zahlreiche Koalitionspolitiker hatten in den vergangenen Wochen bereits auf die Kritik an dem vorliegenden Gesetzesvorhaben reagiert und auf eine Korrektur gedrängt. Die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), verlangte, der Grundsatz des "Nein heißt Nein" müsse im Strafrecht verankert werden. In einer Stellungnahme der Kriminalitätsopferhilfe "Weisser Ring" heißt es: "Der Gesetzentwurf der Bundesregierung greift deshalb zu kurz, weil er sich nicht komplett von der Vorstellung des Überwindens eines Widerstandes oder des Ausnutzens einer Lage, in der Widerstand unmöglich ist, löst.
Künast sieht Paradigmenwechsel
Der von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vorgelegte Gesetzentwurf gehe nicht weit genug und werde nun präzisiert, sagte Winkelmeier Becker: "In Zukunft wird es reichen, wenn das Opfer 'Nein' sagt oder klar zu erkennen gibt: 'Ich will das nicht'." Die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Renate Künast (Grüne), sprach von einem Paradigmenwechsel im Sexualstrafrecht, der der Einführung der Strafbarkeit von Vergewaltigungen in der Ehe gleichkomme.
Das bisherige Konzept bei der Strafbarkeit der Vergewaltigung geht davon aus, dass das Opfer Gegenwehr leistet oder nur aus bestimmten Gründen darauf verzichtet - wie etwa bei Gewalt, Drohungen des Täters oder in einer schutzlosen Lage. "Dies führt zu Schutzlücken", sagte Winkelmeier-Becker. "Es muss daher künftig bereits strafbar sein, wenn der Täter sich über den Willen des Opfer hinwegsetzt."
Die Koalitionsfraktionen seien sich einig, dass das Strafrecht klarer gefasst werden müsse: "Wenn der Täter erkennt, mein Gegenüber will das nicht, überschreitet er die Grenze zur Strafbarkeit." Dies entspreche auch der Istanbul-Konvention, wonach alle nicht einvernehmlichen Sexualkontakte unter Strafe gestellt werden müssten. Zum Anhörungsbeginn lag dem Rechtsausschuss bereits ein Eckpunktepapier der Regierungsfraktionen vor, der die angemahnten Mängel in weiten Teilen beheben sollte.
Ungeklärt ist noch, wie sexueller Missbrauch in Gewaltbeziehungen in Zukunft unter Strafe gestellt wird. In diesen Fällen müssten die Täter nicht jedes Mal aufs Neue Gewalt androhen, damit sich das Opfer sich fügt, erklärte die Rechtswissenschaftlerin Tatjana Hörnle. Die Nutzlosigkeit von Widerstand sei dabei implizit.
Auch Grapschen soll unter Strafe stehen
Mit dem Gesetz sollen auch das Grapschen und sexuelle Attacken aus Gruppen heraus unter Strafe gestellt werden. Die Bestrafung könne man "anlehnen an den Paragrafen zur tätlichen Beleidigung, wie es einige Gerichte bereits tun", erklärte die CDU-Politikerin Winkelmeier-Becker: "Das Strafmaß wäre dann eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren."
Für Übergriffe aus Gruppen heraus könne man sich an dem Paragrafen für Schlägereien orientieren, bei denen man ebenfalls den Tatbeitrag des Einzelnen nur schwer zuordnen könne, sagte die Christdemokratin: "Wir müssen eine Regelung finden, die die Beteiligung an solchen Übergriffen strafrechtlich erfasst. Dabei geht es auch ums Anfeuern, um verbale Unterstützung oder darum, den Opfern den Fluchtweg zu versperren."