Lebenslänglich für Tschads Ex-Diktator Habré
Mit Sonnenbrille und weißem Turban nahm der Angeklagte das Urteil unbewegt entgegen. Der einstige Machthaber Hissène Habré gilt als einer der schlimmsten Schreckensherrscher Afrikas.
30.05.2016
epd
Marc Engelhardt (epd)

Genf, Dakar (epd). Jubel für einen Schuldspruch: Der Ex-Diktator des Tschad, Hissène Habré, ist am Montag im Senegal zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Als das Urteil gegen den 73-Jährigen verkündet wurde, hielt es die Folter-Opfer im Gerichtssaal in Dakar nicht mehr auf ihren Sitzen. Mehr als 25 Jahre lang hatten sie auf diesen Tag gewartet. Habré wird für Morde und die Folterung von Zehntausenden Menschen verantwortlich gemacht.

Die Richter in Senegals Hauptstadt Dakar sahen es als erwiesen an, dass der einst als "Afrikas Pinochet" bezeichnete Habré persönlich für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Vergewaltigungen und Zwangsprostitution verantwortlich war. Der Machthaber habe selbst Hinrichtungen angeordnet, entweder schriftlich oder per Walkie-Talkie, und sich täglich über die Lage in den Gefängnissen informieren lassen, hieß es in der Urteilsbegründung.

Gericht: Verbrechen gezielt angeordnet

Habré, der mit Sonnenbrille und weißem Turban die zweistündige Urteilsverlesung im Gerichtssaal verfolgte, nahm seine Strafe äußerlich unbewegt entgegen. Die Richter erklärten, Habré habe nicht nur von der Brutalität der Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung gewusst und nichts dagegen unternommen, sondern die von der Geheimpolizei und anderen ausgeführten Verbrechen gezielt geplant und angeordnet. Die Verteidigung hatte im Prozess sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen. Sie hat 15 Tage Zeit, das Urteil anzufechten.

Als entscheidend für die Aufklärung nannte das Gericht die 93 Opfer, die seit Prozessbeginn am 20. Juli vergangenen Jahres ausgesagt hatten. Zudem waren 33 Zeugen vernommen worden. Der Prozess fand im Senegal statt, in den sich Habré nach seinem Sturz 1990 abgesetzt hatte. Der Angeklagte hatte das Verfahren mehrfach als Farce bezeichnet und für Eklats im Gerichtssaal gesorgt.

Prozessbeobachter begrüßten das Urteil. Der Richterspruch sei ein Meilenstein, sagte die Referatsleiterin für Menschenrechte und Frieden bei "Brot für die Welt", Julia Duchrow. "Dieses Urteil wird Signalwirkung für alle Staaten haben." Für die Angehörigen der Opfer, die das evangelische Hilfswerk in dem Prozess unterstützt hatte, sei der Schuldspruch ein wichtiger Schritt. "Auch wenn es mehr als 25 Jahre gedauert hat, dass Habrés Schuld anerkannt worden ist, glaube ich, dass das Urteil Heilung bringen wird."

Hilfsfonds für Opfer gefordert

Duchrow sprach sich dafür aus, auch die soziale Lage der Gefolterten und Angehörigen von Ermordeten zu verbessern. "Deshalb muss umgehend ein Hilfsfonds für die Opfer eingerichtet werden, in den auch die USA und Frankreich einzahlen, die Habré an die Macht gebracht und ihn dort gehalten haben."

Ähnlich äußerte sich Amnesty International. Der außerordentliche afrikanische Gerichtshof, der das Urteil gesprochen habe, müsse sofort einen Fonds für alle Opfer einrichten, erklärte die Menschenrechtsorganisation. En entsprechendes Mandat habe das Gericht bereits. Reed Brody von Human Rights Watch, der Habrés Opfer über 17 Jahre begleitet hatte und den Prozess ins Rollen brachte, sprach von einem historischen Tag: "Heute wird als ein Tag in die Geschichte eingehen, an dem eine Gruppe unerschütterlicher Opfer einen Diktator der gerechten Strafe zugeführt haben."

Brutale Diaktatur währte acht Jahre lang

Habrés Diktatur (1982-1990) gilt als eine der brutalsten in der jüngeren afrikanischen Geschichte. Unterlagen von Habrés Geheimpolizei, die nach der Flucht des Diktators gefunden wurden, führen detailliert mehr als 1.200 Todesfälle und über 12.300 Opfer von Folter und anderen Misshandlungen auf. Eine tschadische Wahrheitskommission macht sein Regime für mindestens 40.000 Tote und Vermisste verantwortlich. Die Anklage hatte nach eigenen Angaben mehr als 2.000 Opfer des Regimes gehört. Experten hätten zudem Massengräber im Tschad untersucht.

Das Verfahren gegen Habré war lange Zeit an der Weigerung der senegalesischen Regierung gescheitert, den ehemaligen Diktator vor Gericht zu stellen. Erst nach der Wahl von Macky Sall zum senegalesischen Präsidenten 2012 wurde das Verfahren vorbereitet.