An einem großen Foto des 17-jährigen Florent am Altar der Hamburger St. Pauli Kirche ist eine rote Mütze befestigt. Zwischen Kerzen stehen seine grauen Lieblingsturnschuhe. Rund 50 Christen und Muslime haben sich am Freitag versammelt, um gemeinsam Abschied zu nehmen von dem Jungen, der Hamburg im Frühjahr 2015 verließ, um sich in Syrien der Terrormiliz Islamischer Staat anzuschließen. Im Juli wurde "Bilal", wie er in der Salafisten-Szene hieß, getötet. Wo und von wem, ist unklar. Die Leiche fand man bisher nicht.
"Bilal" hieß ursprünglich Florent Prince N., wurde in Kamerun geboren und als Christ getauft. Als Kleinkind kam er nach Deutschland und wuchs auf St. Pauli auf. Vermutlich mit 14 Jahren kam er in Kontakt mit der radikalen Salafisten-Szene und konvertierte zum Islam. Im Mai vorigen Jahres reiste er mit einem gefälschten Pass nach Syrien. Dort ging ihm offenbar auf, wie sehr er belogen und seine Ideale enttäuscht worden waren. Er nahm er eine Audio-Botschaft auf, in der er den IS kritisierte. Kurze Zeit später war er tot. Anfang März wurde die Audio-Datei verbreitet. Der Verfassungsschutz hält es für möglich, dass Florent vom IS für seine Botschaft bestraft wurde.
Mutter bittet ihren Sohn um Verzeihung
Eine Trauerfeier in einer evangelischen Kirche für einen Anhänger des IS - das hatte im Vorfeld Diskussionen ausgelöst. "Dass wir heute hier zusammen sind (...), das gefällt nicht allen", sagt Pastor Sieghard Wilm. "Aber Gott gefällt das." Wilm kannte Florent seit Jahren aus dem Stadtteil. Der Junge aus Kamerun war schon als Kleinkind nach Deutschland gekommen. In seiner Trauerrede erinnert der Pastor daran, wie Florent mit 14 Jahren vom Christentum zum Islam konvertierte, immer radikaler wurde. Der Junge habe viele Hilfsangebote bekommen. "Aber es hat alles nichts geholfen." Der Theologe betont: "Uns steht als Menschen kein letztes Urteil zu, das steht allein Gott zu."
Unter Tränen tritt die Mutter vor die Gemeinde. Sie hatte den St. Pauli-Pastor um die Trauerfeier gebeten. Ihr als Christin sei es wichtig, einen Ort zu haben, wo sie Blumen hinbringen könne. Auf Französisch und Deutsch spricht sie zu den Trauergästen und dankt für deren Kommen, immer wieder bricht ihr dabei die Stimme weg. "Sein Tod war ein großer Schock für mich", sagt sie. Dann bittet die Mutter ihren Sohn um Verzeihung, weil sie zu spät bemerkt habe, welchen Weg er einschlug.
"Er war ein guter, aufrichtiger Junge", sagte Imam Abu Ahmed Jakobi in seiner Traueransprache. Der IS jedoch habe ihn verführt, irregeführt. Der Imam nannte es die gemeinsame Aufgabe von Gesellschaft, Kirchen, Moscheen und Familien, alle Kinder vor solchen Verführungen zu schützen: "Bilals Schicksal sollte uns wachrütteln."
St. Pauli-Pastor Sieghard Wilm und Imam Abu Ahmed Jakobi aus Hamburg-Bergedorf standen gemeinsam zum Schlussgebet vor dem christlichen Altar.