Berlin, Frankfurt a.M. (epd). Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich zurückhaltend zu Vorwürfen über systematische Verfolgung von Christen in deutschen Asylunterkünften geäußert. Da nur Fälle dokumentiert würden, die auch zur Anzeige gebracht wurden, und solche konkreten Daten nicht vorlägen, gehe es allein um die Frage "Wie hoch ist die Dunkelziffer", sagte de Maizière am Montag in Berlin. "Ich kann das letztlich nicht beurteilen", so der Minister. In den Einrichtungen, in denen er gewesen sei, gebe man sich viel Mühe, solche Fälle zu verhindern.
"Open Doors" bleibt bei Darstellung
Das Hilfswerk "Open Doors", das der theologisch konservativen Deutschen Evangelischen Allianz nahesteht, blieb am Montag bei der Darstellung, dass Übergriffe auf Christen in deutschen Flüchtlingsunterkünften keine Einzelfälle sind. Es müsse von einem "gehäuften Auftreten" von religiös motivierter Gewalt gesprochen werden, erklärte die Organisation. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" hatte am Sonntag kritisch über die Angaben von "Open Doors" berichtet.
Die Kriminalitätsstatistiken, die de Maizière am Montag vorstellte, weisen bei Straftaten gegen bestimmte religiöse Gruppen bislang nur beim Antisemitismus konkrete Fallzahlen aus. Dies solle geändert werden, kündigte der Innenminister an. Künftig sollen auch anti-islamische oder gegen Christen gerichtete Taten als solche erfasst werden. Die Zahl von Straftaten gegen bestimmte religiöse Gruppen ist laut der Statistik politisch motivierter Kriminalität im Jahr 2015 auf 1.112 gestiegen (2014: 696). Dahinter dürften sich überwiegend anti-islamische Straftaten verbergen. Die Sicherheitsbehörden und Islam-Verbände beobachteten im vergangenen Jahr zum Beispiel vermehrt Angriffe gegen Moscheen.
"Open Doors" hatte am 9. Mai mit anderen Organisationen die Ergebnisse einer eigenen Umfrage in Flüchtlingsunterkünften vorgelegt. In 231 Fällen gaben Christen, in der Mehrheit Konvertiten, an, wegen ihrer Religionszugehörigkeit beleidigt, drangsaliert oder geschlagen worden zu sein. Das sei aber "mit hoher Wahrscheinlichkeit lediglich die sprichwörtliche 'Spitze des Eisberges', schrieb "Open Doors" und erweckte den Eindruck, dass es in ganz Deutschland Tausende Fälle von Verfolgung und Diskriminierung von Christen gebe.
Mehr als die Hälfte der Befragten aus Berlin
Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" war unter anderem zwei Berichten von Flüchtlingen nachgegangen. In einem Fall zitiert die Zeitung den Betreiber des Heims, wonach die Opfer den Konflikt bewusst herbeigeführt hätten, um in eine bessere Unterkunft verlegt zu werden. In dem anderen Fall war nach Recherchen der Zeitung der Glaube nicht der Grund für die Konflikte. "Open Doors" erklärte am Montag erneut, die Berichte der christlichen Flüchtlinge ließen "keinerlei Zweifel daran aufkommen, warum sie Gewalt erfahren".
Die Zeitung hatte zudem darauf hingewiesen, dass fast zwei Drittel derer, die sich an der Befragung beteiligten, aus derselben Berliner freikirchlichen Gemeinde stammten. Deren Pfarrer Gottfried Martens hatte die Veröffentlichung mit vorgestellt. "Open Doors" teilte am Montag mit, für die Aussagekraft der Erhebung sei es "von wenig Belang", dass über die Hälfte der Befragten aus Berlin stamme.
Den Kirchen und der Politik hatte "Open Doors" vorgeworfen, Übergriffe gegen christliche Flüchtlinge zu verharmlosen. Das hatten Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche zurückgewiesen. Sie wiesen auf die mangelhafte Datenlage hin und forderten Konzepte für alle besonders schutzbedürftigen Flüchtlinge.