Die EU-Entscheidung über die Neuzulassung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat ist vertagt worden. Derzeit sei die nötige Mehrheit im zuständigen Ausschuss nicht absehbar, verlautete am Donnerstag aus EU-Kreisen in Brüssel. In dem Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel hatten am Mittwoch und Donnerstag die Vertreter der EU-Kommission und der 28 Mitgliedstaaten getagt und über die Verlängerung der im Juni ablaufenden Lizenz beraten. Die Bundesregierung ist in der Frage uneins und hatte sich deshalb zuvor nicht auf eine klare Linie für ihren Vertreter in dem Ausschuss einigen können.
"Riesenerfolg" für Bürger
Die EU-Kommission, die in dem Gremium den Vorsitz führt, ist für die Zulassung. Dafür benötigt sie aber das Einverständnis der Mitgliedstaaten. Dieses war offensichtlich nicht absehbar. Dem Vernehmen nach hatte es nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Hauptstädten noch keine klare Linie gegeben.
Die SPD begrüßte den Ausgang am Donnerstag. "Es ist gut, dass die Entscheidung über eine weitere Zulassung von Glyphosat vorerst verschoben wurde. Solange nicht eindeutig geklärt ist, ob dieses Unkrautvernichtungsmittel gesundheitsschädlich ist oder nicht, darf Glyphosat nicht wieder zugelassen werden", erklärte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner sprach von einem "Riesenerfolg" für Bürger, Gesundheit und Umwelt. Die Vertagung sei zugleich "ein klares Misstrauensvotum gegen die Risikobewertung deutscher Behörden, für die Agrarminister Schmidt verantwortlich zeichnet".
Greenpeace urteilte, der Ausgang der Sitzung sei keine Überraschung. Schließlich habe die EU-Kommission die Bedenken unabhängiger Wissenschaftler, Europaabgeordneter und der europäischer Bürger ignoriert.
Widersprüchliche Ergebnisse
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hatte die Gegner einer Neuzulassung am Donnerstagmorgen scharf angegriffen, weil sie die Wissenschaftlichkeit des Verfahrens ignorierten. Schmidt sagte im Deutschlandfunk, er "empfehle uns dringend, dass wir uns der Mühe unterziehen, Wissenschaftlichkeit auch Wissenschaftlichkeit sein zu lassen und nicht einfach darüber herzuschwadronieren, wie ich das leider in der letzten Zeit häufig gesehen habe".
"Wir sind auch in der Bundesregierung dazu verpflichtet, nicht gerade nach dem, was uns so aus der Öffentlichkeit entgegenkommt, zu entscheiden", fügte der Minister hinzu. Konkret warf er dem Koalitionspartner SPD vor, eine bereits vorliegende Vereinbarung auf Druck ihrer Bundestagsfraktion wieder zurückgezogen zu haben. "Bis letzte Woche hatten wir eine Einigung." Die SPD hatte sich einer Wiederzulassung für Glyphosat in den vergangenen Tagen öffentlich entgegengestellt.
Die EU-Zulassung für Glyphosat endet am 30. Juni. Das Herbizid wird rund um die Welt eingesetzt, vor allem in der konventionellen Landwirtschaft. Es steht aber im Verdacht, krebserregend zu sein. Wissenschaftliche Untersuchungen kommen in diesem Punkt zu teils widersprüchlichen Ergebnissen.