Amnesty sieht hohe Aufnahmebereitschaft für Flüchtlinge
Die überwältigende Mehrheit der Deutschen heißt Flüchtlinge nach Recherchen von Amnesty International willkommen. Nur etwa drei Prozent würden Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, an den Landesgrenzen abweisen wollen, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage der Menschenrechtsorganisation.

London, Frankfurt a.M. (epd). Insgesamt wurden 27.000 Menschen in 27 Ländern zu ihrer Einstellung befragt. Mehr als die Hälfte der Deutschen hätten demnach auch nichts gegen Flüchtlinge in der direkten Nachbarschaft, weitere zehn Prozent würden sie sogar zu Hause aufnehmen.

Auf einem erstmals erstellten "Flüchtlingswillkommensindex" kommt Deutschland auf Rang zwei. Nur in China ist die Bevölkerung demnach noch solidarischer mit Kriegsflüchtlingen. Im Durchschnitt stimmten in den 27 erfassten Ländern rund um den Globus etwa 80 Prozent darin überein, dass Verfolgte in anderen Staaten Zuflucht finden müssten. Deutschland lag dabei mit etwa 96 Prozent im Spitzenbereich. Die repräsentative Telefon-Umfrage fand hier im Februar statt.

Klarer Gegensatz zwischen Politik und Menschen

Die politische Reaktion stehe häufig im klaren Gegensatz zur Bereitschaft der Bevölkerung, Flüchtlinge aufzunehmen, kritisierte Amnesty. "Diese Zahlen sprechen für sich", betonte Generalsekretär Salil Shetty. "Unmenschliche Antworten von Regierungen auf die Flüchtlingskrise stehen überhaupt nicht im Einklang mit den Ansichten der eigenen Bevölkerung." Die Regierungen dürften sich nicht zu Geiseln lauter fremdenfeindlicher Rhetorik und Schlagzeilen machen lassen, erklärte Shetty. "Diese Umfrage zeigt, dass sie nicht auf die leise Mehrheit der willkommenheißenden Bürger hören."

Dass die Regierung mehr tun müsse, um Kriegsflüchtlingen und Verfolgten zu helfen, finden - teils mit Einschränkungen - rund 75 Prozent der Deutschen. Die Chinesen, Nigerianer und Jordanier wollen ihre Regierung zu rund 80 Prozent stärker in die Pflicht nehmen. In China finden sich auch die meisten Menschen, die Flüchtlinge bei sich Zuhause beherbergen würden, nämlich 46 Prozent.

Auf die Bevölkerung hören

China erreicht auf dem Amnesty-Index 85 von 100 möglichen Punkten. Deutschland kommt knapp dahinter mit 84. In Großbritannien (Rang 3) würden 29 Prozent Flüchtlinge daheim aufnehmen, in Griechenland, das durch die Flüchtlingskrise unter einer hohen Belastung steht und auf Rang 7 kommt, 20 Prozent. "Menschen in mehreren Ländern, die bereits eine große Zahl von Flüchtlingen aufgenommen haben, zeigen keine Anzeichen nachlassender Aufnahmebereitschaft", erklärt Amnesty. "Griechenland und Jordanien gehören wie Deutschland zu den Top Ten auf dem Index."

Am unteren Rand rangieren Polen, Thailand, Indonesien und mit nur 18 Zählern Russland. Dort würden 61 Prozent Flüchtlinge nicht ins Land lassen wollen. Nur ein Prozent der Befragten erklärte sich sowohl in Russland als auch in Indonesien zur Aufnahme von Flüchtlingen in den eigenen Haushalt bereit.

Zum ersten Humanitären Weltgipfel, zu dem die Vereinten Nationen für Anfang kommender Woche nach Istanbul geladen haben, ruft Amnesty die Regierungen zu stärkerem Engagement auf. Es müsse ein neues, dauerhaftes System geben, die Verantwortung bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu teilen. "Politiker müssen aufhören, Intoleranz und Teilung zu begünstigen, und stattdessen auf die Bevölkerung hören", forderte Shetty.