Halle (epd). Das Reformationsjubiläum 2017 wird nach Worten der früheren EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann zum ersten Mal in einer globalen Perspektive stattfinden. Daher müsse unter anderem der Dialog mit anderen Religionen wie dem Islam beim 500. Jahrestag der Reformation ein Schwerpunkt sein, sagte die Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das Lutherjahr am Mitwochabend in Halle zur Eröffnung einer internationalen Ökumene-Tagung. Es sei auch der erste große Jahrestag der Reformation seit dem Beginn der ökumenischen Bewegung vor rund hundert Jahren. Auch dies spiele bei den Feiern im kommenden Jahr eine wichtige Rolle.
Mit den Schattenseitenseiten Luthers auseinandergesetzt
2017 sei freilich auch der erste große Jahrestag der Veröffentlichung der 95 Thesen Martin Luthers nach dem Holocaust, fügte Käßmann hinzu. Das Versagen vieler Christen mit Blick auf die Juden in der Zeit des Nationalsozialismus habe allerdings einen Lernprozess ausgelöst. Auch die evangelische Kirche habe sich inzwischen mit den Schattenseitenseiten Luthers, insbesondere seinen antijüdischen Schriften, auseinandergesetzt, hob die Theologin hervor. So bekenne sich die evangelische Kirche heute klar zu der Aussage: "Wer Juden angreift, greift uns an."
Seit Mittwoch tauschen sich in Halle mehr als 120 Teilnehmer aus Asien, Afrika, Amerika und Europa in den Franckeschen Stiftungen über die reformatorische Tradition in verschiedenen Regionen der Welt aus, wie die Veranstalter mitteilten. Neben den Themen Menschenrechte und Umweltschutz widme sich die viertägige Ökumene-Tagung besonders Erziehungs- und Bildungsfragen. Der erste Teil der Konsultation fand im vergangenen Jahr in Brasilien statt.
Der Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, der südafrikanische Pfarrer und Theologieprofessor Jerry Pillay (Pretoria), sprach sich für eine Erneuerung der reformiert-christlichen Lehraussagen für die heutige Zeit aus. Die christlichen Kirchen müssten angesichts zahlreicher Krisen und Konflikte zu Harmonie und Frieden beitragen. Zur Weltgemeinschaft reformierter Kirchen gehören 80 Millionen Christen aus reformierten, presbyterianischen, unierten und waldensischen Kirchen. Der Dachverband unterstützt in Zusammenarbeit mit ihren über 225 Mitgliedskirchen Aktivitäten in den Bereichen Gerechtigkeit, kirchliche Einheit und Mission in über 100 Ländern.
Wissenschaftlerin: Eine der säkularisiertesten Regionen der Welt
Das einstige Kernland der Reformation sei heute eine der weltlichsten und säkularisiertesten Regionen in der Welt, sagte die Theologin und Kulturwissenschaftlerin Monika Wohlrab-Saar von der Universität Leipzig. Sogar zwischen dem früheren West- und Ostdeutschland scheine es noch zwei getrennte Kulturen zu geben, die man am jeweiligen Grad der Religiösität unterscheiden könne. Dennoch gibt es Wohlrab-Saar zufolge in der ostdeutschen Jugend einen leichten Trend hin zu einer "spirituellen Neugier".
Die Veranstaltung "Reformation - Education - Transformation" wird neben den Franckeschen Stiftungen und der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg getragen vom Evangelischen Missionswerk in Deutschland, "Brot für die Welt", der theologischen Fakultät in São Leopoldo, Brasilien, den ökumenischen Weltbünden Ökumenischer Rat der Kirchen, Lutherischer Weltbund und der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie weiteren Partnern.
Die Franckeschen Stiftungen wurden 1698 von dem evangelischen Theologen und Pädagogen August Hermann Francke (1663-1727) gegründet. In der Folge entstand eine Schulstadt, zu der heute mehr als 40 Bildungs- und Sozialeinrichtungen gehören. Das ökumenische Projekt der Twin Consultations soll einen Beitrag aus internationaler, interkultureller und ökumenischer Perspektive zur Bearbeitung des Themenfeldes "Reformation und Eine Welt", dem Themenjahr der EKD im Rahmen der Reformationsdekade, liefern.