Fall Niklas: Haftbefehl gegen 20-Jährigen wegen Totschlags
Der Täter scheint gefasst, doch die Tat selbst macht viele noch immer fassungslos: Der sinnlose Tod des 17-jährigen Niklas in Bonn ließ am Mittwoch auch die Stimme des Leiters der Mordkommission zittern. Sie sucht fieberhaft nach weiteren Tätern.

Bonn (epd). Elf Tage nach dem gewaltsamen Tod des 17-jährigen Niklas P. in Bonn ist am Mittwoch Haftbefehl wegen Totschlags gegen den mutmaßlichen Haupttäter erlassen worden. Ein in Italien geborener 20-Jähriger, der bereits als Gewalttäter polizeibekannt ist, soll den Jugendlichen in der Nacht zum 7. Mai im früheren Bonner Diplomatenviertel Bad Godesberg tödlich verletzt haben. Der Mann war am Dienstag festgenommen worden. Nach zwei mutmaßlichen Mittätern wird weiter gefahndet. Zwischenzeitlich nahm die Polizei zwei weitere Verdächtige fest, der Verdacht gegen sie habe sich aber nicht erhärtet.

Mit voller Wucht gegen den Kopf

Der mutmaßliche Totschläger lebt seit Jahren in Bonn. Er habe bereits mehrere Gewaltdelikte begangen, sagte Oberstaatsanwalt Robin Faßbender am Mittwoch. Der Mann habe Niklas P. nach Erkenntnissen der Ermittler in der Nacht zum 7. Mai durch einen schweren Schlag gegen die Schläfe niedergestreckt. Daraufhin habe er sich gemeinsam mit zwei Mittätern etwas entfernt, ein Freund von Niklas habe sich um den Verletzten kümmern wollen. Anschließend sei der 20-Jährige jedoch zurückgekehrt und habe dem reglos am Boden liegenden Jugendlichen mit voller Wucht gegen den Kopf getreten.

Niklas erlag eine Woche später im Krankenhaus seinen schweren Kopfverletzungen. Der Jugendliche befand sich gemeinsam mit drei weiteren jungen Leuten auf dem Nachhauseweg nach einem Konzert, als es zu dem folgenschweren Zwischenfall kam.

Der festgenommene 20-Jährige bestreite zwar jede Beteiligung an dem Vorfall, sagte Faßbender. Er habe sich aber bei seiner Vernehmung in Widersprüche verstrickt und einige seiner Aussagen seien widerlegt worden. Außerdem habe ein Zeuge ihn eindeutig erkannt. Auch die Täterbeschreibungen passten. Polizei und Staatsanwaltschaft halte ihn deshalb für den Haupttäter.

Sichtlich mitgenommener Chef der Mordkommission

Außer dem 20-Jährigen wurden am Dienstag zwei mutmaßliche Mittäter vorübergehend festgenommen. Die Vorwürfe gegen sie hätten sich aber nicht hinreichend bestätigt, so dass sie wieder freigelassen wurden. Zum Motiv für die Tat konnten die Ermittler keine genauen Angaben machen. Es sei aber zu Auseinandersetzungen gekommen, als Niklas auf dem Nachhauseweg gemeinsam mit einem Freund und zwei Freundinnen einer Gruppe von mindestens drei Männern begegnet sei. Die drei Männer hätten Niklas und seine Freunde zunächst verbal provoziert und dann auch tätlich angegriffen, nachdem Niklas die drei habe "zur Rede stellen" wollen.

Die Ermittlungen gestalten sich nach Angaben des Leiters der Mordkommission, Franz Wirges, sehr "schwierig und arbeitsintensiv". Noch in der Nacht habe die Polizei den Tatort untersucht und Zeugen vernommen. Es fehlten jedoch Spuren, die sonst üblicherweise gefunden würden. Die Beamten hätten Kollegen eingebunden, die sich im Jugend- und Szenebereich gut auskennen. Auch die Bundespolizei unterstützt die Arbeit.

Etwa 150 Hinweise gingen laut Wirges aus der Bevölkerung ein, zudem hätten die Beamten rund hundert Spuren aufgenommen. Besonders erfolgreich war eine Flugblattaktion, bei der die Polizei Handzettel mit der Bitte um Hilfe austeilte. "Die Kollegen der Mordkommission sind derzeit jeden Tag etwa 12 bis 16 Stunden im Dienst", sagte der von den Vorfällen sichtlich mitgenommene Chef der Mordkommission auf einer Pressekonferenz. "Das sind wir Niklas und seinen Eltern schuldig."

Der Tod des 17-Jährigen hatte bundesweit Mitgefühl und Empörung ausgelöst. Am Wochenende fanden in Bonn eine Demonstration von Rechtsextremisten und eine Gegenkundgebung statt, nachdem Zeugen von möglichen Migranten als Tätern gesprochen hatten.