TV-Tipp: "Tatort: Der hundertste Affe" (ARD)
16.5., ARD, 20.15 Uhr: "Tatort: Der hundertste Affe"
Die Geschichte scheint fast eine Nummer zu groß für das kleine Radio Bremen, aber der Minisender wächst beim "Tatort" ja gern mal über sich hinaus und greift Themen auf, die man eher in einem Krimi aus Hamburg oder Berlin erwarten würde. In "Der hundertste Affe" wollen Öko-Kämpfer die Hansestadt erpressen, und weil sie dabei schließlich über viele Leichen gehen, werden aus Aktivisten Terroristen.

Schon die ersten Bilder lassen keinen Zweifel daran, dass der mit allen wichtigen Fernsehpreisen ausgezeichnete Autor Christian Jeltsch ("Einer geht noch") und Florian Baxmeyer, seit Jahren Stammregisseur beim "Tatort" aus Bremen, einen Thriller im Sinn hatten, der aus dem Krimialltag herausragt. "Wir haben’s verbockt", stellt Inga Lürsen (Sabine Postel) resigniert fest; und dann saust der Film im Zeitraffer zurück zum Morgen dieses Sonntags, an dem alles beginnt: Radikale Umweltschützer drohen damit, das Trinkwasser der Stadt mit 30.000 Litern eines bestimmten Pflanzenschutzmittels zu vergiften. Sie wollen, dass Urs Render (Manfred Zapatka), leitender Wissenschaftler eines Konzerns für Biotechnologie, vor laufender Kamera zugibt, dass dieses Pestizid in Afrika bereits viele Todesopfer gefordert hat. Um ihrer Drohung Nachdruck zu verleihen und zu beweisen, wozu sie in der Lage ist, versetzt die Gruppe das Duschwasser in einem Freibad mit roter Lebensmittelfarbe; eine ältere Frau stirbt an einem Herzinfarkt. Aber Render schweigt und das Unheil nimmt seinen Lauf, denn die Terroristen sind bereit, bis zur letzten Konsequenz zu gehen.

Im letzten "Tatort" aus Bremen, "Wer Wind sät, erntet Sturm", ist es ebenfalls um ein ökologisches Thema gegangen (damals Energiegewinnung aus Windkraft). Der Film war spannend und sehenswert, aber die Verknüpfung von Ökologie und Krimi ist nicht rundum gelungen. Das ist diesmal anders: weil die Spannung eindeutig im Vordergrund steht. Das liegt natürlich auch an der Thriller-Dramaturgie: Es geht weniger darum, einen Mörder zu finden, sondern um die Verhinderung weiterer Morde. Die Missstände, auf die Jeltsch hinweisen wollte, sind harmonischer in die Handlung integriert. Der Titel spielt auf die Botschaft an: Wenn sich ein Lerneffekt beim hundertsten Affen eingestellt hat, ändert sich das Verhalten aller Affen.

Aber auch die dank eines großen Aufgebots an Menschen und Material sehr aufwändig wirkende Umsetzung ist packender, weil Baxmeyer und sein Kameramann Peter Joachim Krause bei Inszenierung und Bildgestaltung ein ungewöhnlich hohes Tempo einschlagen. Optische Elemente, die sonst oft aufgesetzt wirken, weil sie nicht mit der Handlung korrespondieren, fügen sich hier prima ein, etwa die gerissenen Schwenks, die sprunghaften Schnitte oder die gelegentlichen raschen Schnittfolgen. Die kühle Anmutung der Bilder und die mitunter ausgefallenen Perspektiven passen ebenso gut zur Geschichte wie die zügige elektronische Musik (Stefan Hansen) und die schwungvollen Kameraflüge.

Dieser Erzählweise entspricht auch der Ansatz des Drehbuchs, den Ereignissen einen realistischen Anstrich zu geben. Die beiden eigentlichen Hauptfiguren, Lürsen und ihr Partner Stedefreund (Oliver Mommsen), werden zu Vollzugsbeamten eines Krisenstabs (Barnaby Metschurat, Johannes Allmayer, Werner Wölbern, Anna Stieblich), der die Marschroute vorgibt und mit interessanten Typen bestückt ist. Eine typische Krimifigur ist hingegen die BKA-Beamtin Linda Selb (Luise Wolfram), eine zwar brillante, aber völlig team-unfähige Analytikerin, der Mommsen umgehend verfällt; schon allein deshalb sollte sich Radio Bremen überlegen, ob die Dame nicht öfter mal mitwirken könnte.

Gegen Ende noch ein echter Knüller

Leider sind die Gegenspieler nicht ganz so charismatisch. Andererseits gehört es zur Geschichte, dass die Sache eine Eigendynamik annimmt, der die jungen Aktivisten nicht gewachsen sind, und so lag es vielleicht nahe, junge unbekannte Schauspieler zu engagieren. Friederike Becht, zuletzt als Mutter in dem Hebammendrama "Nacht der Angst" (ZDF) zu sehen, entfaltet erst zum Finale ihre wahre Wirkung, was allerdings auch am Drehbuch liegt: weil Jeltsch gegen Ende noch einen echten Knüller auspackt und sich ausgerechnet der Wissenschaftler als tragische Figur der Geschichte entpuppt.