Der Satz ist gewissermaßen der amerikanische Traum der Zielgruppe: Mag der Alltag auch mühselig und beladen sein, alles kann sich ganz schnell ändern. Allerdings gilt die Gleichung natürlich auch im Schlechten. Für die junge Ärztin Britta zum Beispiel, die Heldin dieses "Inga Lindström“-Films, ist die Welt ein trister Ort, denn vor einiger Zeit ist ihr Verlobter Matti bei einem Bootsunglück ertrunken. Sie selbst konnte gerettet werden, aber ein Teil von ihr ist vor vier Jahren ebenfalls gestorben.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Während die Figuren in den Sonntagsfilmen oft eher eindimensional angelegt sind, ist Britta darstellerisch durchaus eine Herausforderung, die die Österreicherin Cornelia Ivancan sehenswert bewältigt. Natürlich erlebt die Ärztin eine neue Liebesgeschichte, das ist schließlich der Daseinsgrund dieses Sendeplatzes, aber "Lindström“-Erfinderin Christiane Sadlo macht es ihr nicht leicht: Britta hat den Verlust ihres Lebensgefährten, mit dem sie ein Haus auf einer kleinen südschwedischen Insel in der Nähe von Kalmar beziehen wollte, immer noch nicht verwunden. Wie jedes Jahr im September fährt sie an Mattis Todestag auf die Insel, um eine Flaschenpost mit einem Brief an den Geliebten ins Meer zu werfen. Diesmal allerdings wird die Botschaft von einem Hund aus den Wellen gefischt. Er gehört Jonas (Björn von der Wellen), einem entspannten Ornithologen, der auf der Insel den Zug der Kraniche beobachtet und sich prompt in Britta verliebt. Die ist mehrmals kurz davor, seinem Werben nachzugeben, aber jedes Mal wird sie von der Erinnerung an Matti (Tom Radisch) übermannt, mit dem sie regelmäßig in der leerstehenden gemeinsamen Hütte Zwiegespräche hält. Als sie nach einer doch noch gemeinsam verbrachten Nacht die Flaschenpost bei Jonas findet und zu allem Überfluss auch seine Ex-Freundin (Anja Knauer) vor der Tür steht, bricht das fragile Beziehungsgebilde gleich wieder in sich zusammen.
Natürlich erzählt "Liebe lebt weiter“ keine umwerfend originelle Geschichte, und die Idee mit der "Message in a Bottle“ hatten andere auch schon, aber man hat nie das Gefühl, professionellen Darstellern bei der Arbeit zuzuschauen. Außerdem ergibt sich die Liebelei eher nebenbei, denn scheinbar im Vordergrund steht die Freundschaft zwischen Britta und Inselbesitzerin Lilja (Christine Schorn): Die alte Frau lebt allein, seit ihre Lebensgefährtin gestorben ist, und als sie mit einem Zuckerschock zusammenbricht, weil sie vergessen hat, ihr Insulin zu nehmen, weiß Britta, dass ihre Freundin dringend Gesellschaft braucht. Sie wendet sich an Liljas Tochter Andrea (Jeanne Tremsal), aber die hat nichts mehr von ihrer Mutter gehört, seit sie die Familie einst für ihre Freundin verlassen hat. Das steht allerdings in krassem Kontrast zum Charakter der alten Dame, die eine ziemlich patente Person ist, und natürlich war in Wirklichkeit alles ganz anders, was Britta die Gelegenheit gibt, zwischen den beiden Frauen zu vermitteln. Der Versöhnung ist selbstredend ebenso wenig überraschend wie die Tränen, die Andrea vergießt, als sie die Geschichten und Bilder sieht, die ihre Mutter im Verlauf der Jahrzehnte für sie geschrieben und gemalt hat; schön ist es trotzdem.
Hübsche Naturbilder
Das gleiche "Ja, aber“ gilt für die Inszenierung. Marco Serafini hat genug Erfahrung mit Reihen dieser Art, um zu wissen, was von ihm erwartet wird. Die Bildgestaltung ist ähnlich erwartbar wie das Happy End, doch die vielen Naturbilder sind hübsch anzuschauen (Kamera: Sebastian Wiegärtner). Und weil "Liebe lebt weiter“ den Arbeitstitel "Septembersturm“ trug, bringt ein Unwetter immerhin etwas Abwechslung in die ansonsten ungetrübt schönen Aufnahmen der Gegend rund um Kalmar und die Insel Öland. Die mitunter übertrieben dramatische Musik ist allerdings wie meist im Sonntagsfilm zu dick aufgetragen und lässt nie einen Zweifel am jeweiligen emotionalen Vorzeichen der einzelnen Szenen. Der Rhythmus des Films ist trotzdem angenehm ruhig; es gibt auch Momente, in denen schlicht nichts passiert.
Für Kurzweil sorgt dagegen Thomas Kügel als Landarzt, der seit Jahren versucht, Britta dazu zu überreden, seine Praxis zu übernehmen. Der Arzt hat eine Frau, die allenfalls halb so alt ist wie er, und genießt den dritten Frühling in vollen Zügen, aber Kügel widersteht der Versuchung, ihn als Witzfigur darzustellen; Magnus ist einfach ein durch und durch sympathischer, immer gut gelaunter Mann, dem das Schicksal ein spätes Glück gönnt; wie das Leben eben so spielt. Einem weiteren Mitwirkenden gebührt ebenfalls ein großes Lob: Mischlingshund Fredy (im Film heißt er Olsen) ist oft im Bild, weil der Vierbeiner Jonas nicht von der Seite weicht, und macht seine Sache fabelhaft. Während Filmtiere oft an der Kamera vorbei zu ihrem Trainer schauen, ist Olsen ganz auf Jonas bezogen. Angesichts dieser ausgezeichneten Arbeit grenzt es fast an Verrat, dass Serafini den Hund für eine typische Filmszene missbraucht, als Olsen angesichts des ersten Kusses von Jonas und Britta eine Pfote über seine Augen legt.