Köln (epd) ZDF-Satiriker Jan Böhmermann sorgt mit der neuesten Ausgabe seines "Neo Magazin Royale" wieder für Diskussionsstoff: In der ersten Ausgabe nach dem Skandal um das Erdogan-Schmähgedicht enthüllte der Moderator am Donnerstagabend, dass er und sein Team einen Kandidaten in die RTL-Sendung "Schwiegertochter gesucht" eingeschleust hätten. Er habe Robin als falschen Kandidaten ins Rennen geschickt, um "Missstände bei RTL" aufzudecken, sagte Böhmermann. Die für RTL zuständige Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) leitete eine Vorprüfung gegen "Schwiegertochter gesucht" ein.
"Die Art und Weise, wie die Produktionsfirma Verträge mit den Kandidaten abschließt und sie dabei bedrängt, erinnert stark an Haustürgeschäfte", sagte NLM-Direktor Andreas Fischer am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Hannover. Die Landesmedienanstalt habe den Vertrag angefordert, den die Produktionsfirma Warner Bros. International Television Production Deutschland mit den Kandidaten der Sendung abschließt. "Wir werden den Wortlaut prüfen und von RTL eine Erklärung verlangen, ob die Produktionsfirma bei ihrer Arbeit für den Sender überwacht wird." Sollte die NLM ein offizielles Prüfverfahren einleiten, droht RTL eine Beanstandung.
Rößner fordert politische Debatte
Der Sender kündigte in einer ersten Reaktion auf Böhmermanns Sendung via Twitter Gespräche mit dem Produzenten von "Schwiegertochter gesucht" an. Die Produktionsfirma Warner Bros. International Television Production Deutschland wollte sich auf epd-Anfrage nicht äußern.
In der aktuellen Staffel der Sendung von Moderatorin Vera Int-Veen sucht der "einsame Eisenbahnfreund" Robin aus dem Ruhrgebiet "eine Freundin, weil er noch nie eine hatte". "Seit zehn Jahren verarscht Vera Int-Veen jetzt schon Behinderte bei RTL", sagte Böhmermann. Dabei gehe es immer nur um eine "geile Story, geile Quote, geil viel Cash". Die Kandidaten würden dagegen für 30 Drehtage mit lediglich 150 Euro Aufwandsentschädigung abgespeist. Eine Kopie des unterzeichneten Vertrags habe RTL zudem erst zwei Wochen nach Ausstrahlung zugesandt. Unter dem "Hashtag der Woche" #verafake lud Böhmermann seine Zuschauer dazu ein, sich auf Twitter auszutauschen.
Die medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Tabea Rößner, forderte eine politische Debatte über die Berechtigung von Reality-TV-Formaten wie "Schwiegertochter gesucht". "Es ist teilweise unerträglich, wie rücksichtslos Medien um Aufmerksamkeit und Quoten kämpfen", sagte Rößner dem epd. Der Persönlichkeitsschutz greife dabei häufig zu kurz. "Hier wird es nicht ganz einfach sein, zwischen der Menschenwürde einerseits und andererseits dem selbstbestimmten Recht der Beteiligten, sich für solche Formate zu entscheiden, abzuwägen." Die Politik müsse auch über Kennzeichnungspflichten von Scripted-Reality-Sendungen und eine mögliche Anlaufstelle für Medienopfer diskutieren.
Marktanteil annähernd verdreifacht
Scripted-Reality-Formate wie "Schwiegertochter gesucht", in denen reale Ereignisse vorgetäuscht werden, müssen seit 2014 laut einer Vereinbarung zwischen den Landesmedienanstalten und dem Privatsenderverband VPRT im Abspann gekennzeichnet werden. Allerdings ist die Regelung freiwillig. Im Abspann von "Schwiegertochter gesucht" taucht eine entsprechende Kennzeichnung nicht auf.
Das "Neo Magazin Royale" am Donnerstagabend verfolgten auf ZDFneo rund 620.000 Fernsehzuschauer. Mit einem Marktanteil von 2,8 Prozent verdreifachte Böhmermanns Sendung ihren Marktanteil annähernd.
Nach dem Wirbel um das umstrittene Schmähgedicht auf den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan hatte das "Neo Magazin Royale" vier Wochen lang pausiert. Böhmermann hatte das Gedicht in der Sendung vom 31. März verlesen. Erdogan verlangte daraufhin unter anderem eine Strafverfolgung nach Paragraf 103, der die Bestrafung bei einer Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter regelt. Die Bundesregierung erteilte die notwendige Ermächtigung für Ermittlungen gegen Böhmermann. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte gleichzeitig die Abschaffung der Regelung an.