Berlin, Brüssel (epd) Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat dazu aufgerufen, die Ursachen von Flucht und Vertreibung in den Krisenregionen engagierter anzupacken. "Wir müssen mehr vor Ort tun", sagte Müller am Donnerstag im Bundestag in Berlin. "Wir können die Probleme nicht dadurch lösen, dass wir alle Menschen hierher holen", betonte der Minister. Die Opposition warf Müller vor, die Fluchtursachen nicht in ihrer vollen Komplexität zu betrachten.
Gewalttätige Konflikte, Klimawandel, Weltbevölkerung
Müller erklärte, die finanziellen Mittel seien in den Krisenregionen viel effizienter einsetzbar. Ein Euro im irakischen Dohuk für die dort lebenden syrischen Flüchtlinge entfalte beispielsweise die 50-fache Wirkung wie ein Euro in Deutschland. Allein mit 300 Euro könnten einem Flüchtling im Irak ein Jahr lang eine Bleibe und Nahrung finanziert werden.
Neben dem medial im Fokus stehenden Syrienkonflikt, der umfassend in einem Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD behandelt wurde, nannte Müller zahlreiche andere Fluchtursachen. Er verwies auf weitere gewalttätige Konflikte wie im Jemen. Hinzu kämen der Klimawandel und Naturphänomene wie El Nino sowie die größer werdende Weltbevölkerung.
Jedes Jahr wachse diese um 80 Millionen Menschen, die Lebensmittel und Zukunftschancen brauchten, betonte der Minister und richtete mahnende Worte an die Industrienationen. Die westliche Welt sei wegen ihres Konsums und ihres Lebensstils für viele Fluchtursachen mit verantwortlich. Nötig sei deshalb ein globaler fairer Handel.
Linke: "Kriegspolitik des Westens"
Müllers Staatssekretär Thomas Silberhorn erklärte vor einem Treffen der EU-Entwicklungsminister in Brüssel, notwendig sei auch eine Neuausrichtung der Europäischen Union. Die EU-Entwicklungshilfe müsste viel stärker auf die Lösung von Fluchtursachen zielen. Dafür müssten alle umsteuern, "die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Europäische Union selbst", sagte Silberhorn.
Die Opposition im Bundestag kritisierte Müllers Ausführungen. Die "eigentlichen "Fluchtursachen" seien von ihm nicht angesprochen worden, sagte die Linken-Politikerin Heike Hänsel (Linke). Länder wie Syrien, Irak, Libyen und Jemen seien seit Jahren unter der Führung der USA im Rahmen der Bekämpfung des Terrorismus durch "eine Kriegspolitik des Westens" destabilisiert worden. Dort werde auch mit deutschen Waffen gemordet, weshalb deutsche Rüstungsexporte sofort eingestellt werden sollten.
Die Grünen-Abgeordnete Claudia Roth sagte, Fluchtursachen müssten sehr viel breiter angegangen werden. Ein fairer Handel sei mit dem angestrebten transatlantischen Freihandelsabkommen sehr wahrscheinlich nicht vereinbar. Es bestehe die Befürchtung, dass eine rücksichtslose Marktöffnung für westliche Unternehmen einem fairen globalen Handel entgegen stehe. Darüber hinaus forderte sie die Bundesregierung auf, die diplomatischen und politischen Anstrengungen zur Lösung internationaler Konflikte zu deutlich intensivieren.