Rio de Janeiro (epd) Brasilien wappnet sich für die Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff. Schon an diesem Donnerstag könnte Vizepräsident Michel Temer die erste Frau im höchsten Staatsamt ablösen. Der brasilianische Senat nahm am Mittwoch seine entscheidende Debatte darüber auf, ob das formale Verfahren zur Suspendierung Rousseffs eingeleitet wird. Es wurde erwartet, dass bei der Abstimmung der 81 Senatoren in der Nacht zum Donnerstag weit mehr als die notwendigen 41 Stimmen gegen die Präsidentin zusammenkommen würden.
Entscheidung steht
Das Oberste Gericht Brasiliens lehnte unterdessen den Regierungsantrag auf Annullierung des Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff ab. Dies gab der zuständige Richter Teori Zavascki am Mittwoch (Ortszeit) bekannt, wie die Zeitung "O Globo" in ihrer Onlineausgabe berichtete. Damit steht der Entscheidung des Senats, der seit dem Morgen über die formale Einleitung des Verfahrens debattiert, nichts mehr im Wege.
Mit einem Eilantrag beim Obersten Gericht hatte die Regierung versucht, das Amtsenthebungsverfahren in letzter Sekunde noch zu stoppen. Sie argumentierte, dass der inzwischen wegen Korruption abgesetzte Parlamentspräsident Eduardo Cunha den Prozess in rechtswidriger Weise vorangetrieben habe.
Auch internationale Gerichte werden sich mit dem umstrittenen Amtsenthebungsverfahren beschäftigten. Luis Almagro, Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten OAS, erklärte am Dienstag, das Staatenbündnis werde die Legalität des Verfahrens vom Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof prüfen lassen.
Papst Franziskus erklärte, er werde dafür beten, dass Brasilien in diesem schwierigen Moment Harmonie und Frieden bewahre. Er sei in Gedanken bei Brasilien, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche. Auf eine politische Aussage verzichtete er.
Vorwurf: Buchhaltungstricks im Staatshaushalt
Bei einer Abstimmungsniederlage im Senat würde Rousseff für zunächst maximal 180 Tage abgesetzt. Ihr designierter Nachfolger, Vizepräsident Michel Temer, plant, in diesem Fall sofort eine neue Regierung ohne Rousseffs Arbeiterpartei PT zu bilden und zimmert bereits ein neues Kabinett. Nach einer Suspendierung der Präsidentin müsste der Senat in den kommenden sechs Monaten dann unter Leitung des Obersten Gerichts erneut die Vorwürfe prüfen, bevor er eine endgültige Entscheidung fällt.
Rousseff verurteilte die Bestrebungen zur Amtsenthebung erneut als Putsch. Temer und Cunha seien die "Drahtzieher einer modernen Variante eines Staatsstreichs". Sie habe die Nase voll von Verrat, sei aber nicht müde, weiter zu kämpfen, erklärte die Präsidentin.
Aufgrund einer schweren Wirtschaftskrise und spektakulärer Korruptionsermittlungen steht ihre Mitte-Links-Regierung seit Monaten unter Druck. Der Präsidentin werden Regelverstöße beim Umgang mit Staatsgeldern und Buchhaltungstricks im Staatshaushalt vorgeworfen.