TV-Tipp: "Die Kinder meines Bruders" (ARD)
TV-Tipp: 13.5., ARD, 20.15 Uhr: "Die Kinder meines Bruders"
Nicht nur des Titels wegen passt "Die Kinder meines Bruders" auf den ersten Blick in die "Plötzlich Onkel"-Schublade, aus der sich die ARD-Tochter Degeto schon des öfteren bedient hat. Das Ergebnis waren meist Komödien, in denen sich ein Lebenskünstler, der es trotz einer gewissen Altersreife erfolgreich vermieden hat, richtig erwachsen zu werden, aus heiterem Himmel um Neffen und Nichten kümmern müsste; gleich nebenan befinden sich die Schubladen "Plötzlich Papa" und "Plötzlich Opa".

Das Drehbuch des Autorenpaars Josephin und Robert von Thayenthal ("Tannbach - Schicksal eines Dorfes") scheint exakt diesem Schema zu entsprechen, verschärft das Anforderungsprofil für die Hauptfigur allerdings, denn es konfrontiert sie auch noch mit der Herausforderung "Plötzlich Papa": Erik (David Rott) lebt in Berlin und genießt sein ungebundenes Leben; der Ford Mustang, den er fährt, signalisiert in Filmen dieser Art gern einen zweifelhaften Charakter. Freundin Verena (Anna Thalbach) nimmt die Dinge allerdings nicht ganz so locker wie er, zumal sie alleinerziehende Mutter ist. Eigentlich will sie ihm erzählen, dass sie schwanger ist, aber Erik hat sich gerade ein teures Motorboot gekauft und macht ihr wieder mal deutlich, dass Kinder in seinem Leben keinen Platz hätten. Just in diesem Moment erfährt er, dass sein verwitweter älterer Bruder tödlich verunglückt ist. Erik macht sich auf den Weg nach Sachsen-Anhalt in die Altmark, wo der Christoph den Bauernhof der Eltern übernommen hat, will aber sowohl den Hof wie auch die beiden Kinder so schnell wie möglich abwickeln; und natürlich ist das gar nicht so einfach.

Unerwartete komische Momente

Im Vergleich zu früheren Freitagsfilmen dieses Musters überrascht Ingo Raspers Inszenierung durch den weitgehenden Verzicht auf komische Momente, die deshalb umso unerwarteter sind. Dabei weiß der Regisseur (zuletzt "Besuch für Emma" mit Dagmar Manzel und Henry Hübchen) dank der amüsanten Kinokomödie "Vatertage – Opa über Nacht" (2012, mit Sebastian Bezzel) ganz genau, wie das Subgenre funktioniert. Mit Ausnahme von zwei oder drei Augenblicken aber ist "Die Kinder meines Bruders" ein Drama, das sehr seriös mit der ohnehin alles andere als lustigen Ausgangssituation umgeht: Der Betrieb ist hoch verschuldet. Der 16jährige Neffe Nico (Max Hegewald) will den Hof ohnehin nicht verlassen. Schließlich stellt sich auch noch raus, dass Erik nicht ganz unschuldig an dem Schlamassel ist, denn er hat sich als junger Mann seinen Anteil von Christoph auszahlen lassen; das war der Anfang der Misere.

Das Drehbuch nimmt sich viel Zeit für die Schilderung der landwirtschaftlichen Hintergründe: Die Milchbauern bekommen von der regionalen Molkerei kaum genug Geld für ihre Milch, um die Kosten zu decken, mauscheln sich irgendwie um die Milchquote und würden ohne EU-Subventionen gar nicht mehr existieren. Würden sie an einem Strang ziehen, könnten sie den Abnehmer unter Druck setzen, doch jeder ist sich selbst der nächste; anstatt sich zu solidarisieren, ergehen sie sich lieber in ostalgischen LPG-Erinnerungen. Ausgerechnet der Städter Erik setzt schließlich ein Zeichen, indem er den Einkäufer der Molkerei (Patrick von Blume) und den Vertreter der örtlichen Bank (Manfred Möck), die ihm beide ein unmoralisches Angebot machen, mit einem Milchsee konfrontiert.

Sehenswert ist "Die Kinder meines Bruders" aber vor allem wegen der ausgezeichneten darstellerischen Leistungen. Bei David Rott und Anna Thalbach ist das nicht weiter überraschend, und auch Max Hegewald, ganz großartig als Titeldarsteller der Lenz-Verfilmung "Arnes Nachlass" (2011), hat sich mit mittlerweile Mitte zwanzig längst in der Riege der besten jungen Schauspieler etabliert. Auch wenn seine Rolle in stark dem Typus "zorniger Teenager" entspricht: Er spielt sie trotz des Altersunterschieds jederzeit glaubwürdig. Umso wichtiger war es, für Nicos kleine Schwester ein Mädchen zu finden, das darstellerisch mit den Erwachsenen mithalten kann. Mit Cosima Schröder ist den Verantwortlichen ein echter Glücksgriff gelungen: Die Debütantin spielt die Leonie, die nicht viel sagt, aber deren Blicke umso beredter sind, famos. Die Rolle ist dramaturgisch eminent wichtig, weil selbst das elfjährige Kind mehr Reife ausstrahlt als sein Onkel. Die Darsteller der Nebenfiguren sind ebenfalls überwiegend kaum bis gar nicht bekannt, aber markant und nicht weniger überzeugend. Und noch ein kleiner Besetzungs-Coup ist von großer Bedeutung: Abgesehen von einer winzigen Videosequenz taucht der Vater der beiden Kinder nur im Prolog auf. Dass sich Roman Knižka nicht zu schade war, diese Rolle zu übernehmen, sagt ebenfalls viel über diesen Film, zumal die Melancholie des Auftakts den Tonfall der Geschichte prägt. Dazu passen auch die schöne ruhige Musik von Martin Probst und die verschiedenen Johnny-Cash-Songs.