TV-Tipp: "Vorstadtweiber" (ARD)
10.5., ARD, 20.15 Uhr: "Vorstadtweiber"
Die satirisch überspitzte österreichische Serie "Vorstadtweiber" war ein Höhepunkt des Frühjahrs 2015. Im Vergleich zu den braven Klosterfrauen aus "Um Himmels Willen", die den Dienstag im "Ersten" perfekt repräsentieren, muteten die Erlebnisse der fünf Frauen aus der Wiener Vorstadt fast skandalös an. Sex, Intrigen und Alkohol, Ehrgeiz, Eifersucht und Eitelkeiten: Skakespeare-Schurkinnen wie Lady Macbeth würden vor Neid erblassen gegen die mit allen Abwassern gewaschenen Damen, deren Zungen ebenso spitz sind wie die Absätze ihrer High Heels. Kein Wunder, dass die Serie vor allem beim jungen Publikum gut angekommen ist.

Nun kehrt das Quintett zurück, doch wer die erste Staffel nicht kennt, wird zunächst Probleme haben, sich zurechtzufinden. Aber auch die Fans der "Vorstadtweiber" müssen sich in Erinnerung rufen, wer da mit wem ins Bett gehüpft und nun schwanger ist, warum aus Freundinnen Todfeindinnen geworden sind und in welchem Verhältnis die jeweiligen Männer zueinander stehen. Zwar beginnt die erste Folge mit einem Zeitrafferrückblick, aber eine echte Einführung ist das nicht. Einige Informationen werden im Verlauf der ersten Folge beiläufig eingestreut, doch da die viele der neuen Ereignisse auf den alten basieren, wäre ein "Was bisher geschah" gar nicht schlecht gewesen. Andererseits lag eine Schwäche der ersten Staffel in ihrem langen Anlauf: Autor Uli Brée ließ sich zwei Folgen lang Zeit, um seine Figuren einzuführen; diesmal kommt er ohne langes Vorspiel gleich zur Sache.

Intrigierende Freundfeindinnen

Erneut ist es fast unmöglich, den Inhalt zusammenzufassen, weil sich dank der ständigen Szenenwechsel permanent neue Dinge ereignen. Zunächst müssen sich die nach Staffel eins völlig zerstrittenen Frauen wieder zusammenraufen, frei nach dem Motto "Wenn du deine Feinde nicht besiegen kannst, mache sie zu Freunden." Verheilt sind die Wunden jedoch noch lange nicht; vergessen ist nichts, vergeben erst recht nicht, aber alle machen erst mal wieder gute Miene zum gemeinsamen bösen Spiel. Hinter dem Rücken der Freundfeindinnen wird jedoch munter weiter intrigiert.

Die Inszenierung der zehn neuen Folgen (wieder Harald Sicheritz, Folgen 11 bis 15, und Sabine Derflinger, 16 bis 20) fällt zwar nicht weiter aus dem Rahmen, aber schon allein wegen der vielen Hauptfiguren ist eine episodische Erzählweise fast unvermeidlich. Durch die damit verbundenen ständigen Schauplatzwechsel wirkt die auch mit ARD-Geld entstandene Produktion deutlich aufwändiger als übliche Serien, ganz zu schweigen von der exquisiten Ausstattung und den erlesenen Kostümen, schließlich gehören die Damen zur High Society. Sehens- und vor allem hörenswert ist "Vorstadtweiber" jedoch wegen der Dialoge. Nur wenige deutschsprachige Autoren schreiben so böse Verbalduelle wie der Wahlösterreicher Uli Brée, der seinen guten Namen hierzulande vor allem den Filmen von Wolfgang Murnberger verdankt ("Die Spätzünder"). Die Kränkungen, die sich gerade die Frauen gegenseitig an den Kopf schleudern, verursachen tiefere Narben als die meisten Wurfgeschosse.

Was dem Stammpublikum der Dienstagsserien jedoch die Schamesröte ins Gesicht steigen lassen wird, ist der lockere Umgangston gerade in Sachen Sex. Die optische Umsetzung ist völlig jugendfrei, aber Buch und Regie lassen nie einen Zweifel daran, worum es geht. Dass Caro Melzer (Martina Ebm) ihrem Mann, dem Bankdirektor Hadrian (Bernhard Schir), allmorgendlich eine Fellatio mit auf den Weg zur Arbeit gibt, damit er gar nicht erst zu seiner Geliebten fährt, ist allerdings selbst im freizügigen Rahmen dieser Geschichten ein bizarrer Einfall. Ansonsten spielen intime Zwischenmenschlichkeiten diesmal nicht mehr so eine beherrschende Rolle wie in der ersten Staffel, weil zwei Fünftel des ursprünglichen Damenkränzchens schwanger sind; die ältliche Maria (Gerti Drassl), die ihren untreuen Gatten Georg (Juergen Maurer) willentlich zum Krüppel gefahren hat, hat allerdings mangels notwendiger männlicher Zuwendung keine Ahnung, wie das geschehen konnte. In den Dialogen geht es dagegen umso expliziter zu.

Endgültig herausragend aus dem Serienalltag wird "Vorstadtweiber" durch die Besetzung. Viele Mitwirkende sind regelmäßig zu Gast in deutschen TV-Produktionen, aber auch die hierzulande weniger bekannten Darstellerinnen sind ausgezeichnet. Zum Kernquintett gehören Maria Köstlinger als Waltraut, die immer noch gern wüsste, wer ihren Ehemann auf dem Gewissen hat, sowie Nina Proll als dessen frühere Geliebte Nicoletta. Aber der Reigen der handelnden Personen ist viel größer. Nun mischt zum Beispiel noch Hadrians erste Frau Sylvia (Julia Stemberger) mit, denn Caro liegt mit ihrer Vermutung, ihr Mann habe eine Affäre, völlig richtig. Wunderbar sind auch die Auftritte von Gertrud Roll als Georgs scharfzüngige Mutter, die Sohn und Schwiegertochter um Ersparnisse in sechsstelliger Höhe bringt. Ähnlich boshaft sind die Dialoge von Proschat Madani als Nicolettas Anwältin. Unterm Strich: Wunderbares Anhörungsmaterial für hiesige Drehbuchautoren.