Karlsruhe (epd) Die ehemalige Lebensgefährtin des Journalisten und Wettermoderators Jörg Kachelmann durfte nach dessen Freispruch wegen Vergewaltigung in Interviews ihrem Ärger Luft machen. Die Meinungsfreiheit von Claudia D. sei hier höher zu bewerten als das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Kachelmann, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss. Kachelmann äußerte sich empört über die Entscheidung. (AZ: 1 BvR 2844/13)
Sichtweise in Interview erläutert
Hintergrund des Rechtsstreits war der Vorwurf der Radiomoderatorin Claudia D., dass der heute 57-jährige Kachelmann sie vergewaltigt habe. Das Landgericht Mannheim sprach am 31. Mai 2011 den früheren Wettermoderator der ARD-"Tagesthemen" aber aus Mangel an Beweisen frei. Direkt nach dem Urteil äußerten sich die Anwälte Kachelmanns in Fernsehsendungen über Claudia D. Eine Woche später legte Kachelmann in einem dreiseitigen Interview in einer Zeitschrift nach. Die Lügen seiner Ex seien kriminell gewesen.
Danach gab auch Claudia D. ihre Sichtweise in einem Zeitschrifteninterview bekannt. "Wer mich und ihn kennt, zweifelt keine Sekunde daran, dass ich mir diesen Wahnsinn nicht ausgedacht habe", sagte sie. "Diese Herren erklären vor Gericht, die Tat könne sich nicht so abgespielt haben … und man selbst sitzt zu Hause, liest das und weiß genau: Es war aber so!" Die Tat sei eines ihrer drei Traumata gewesen, die sie erlitten habe.
Kachelmann sah damit sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt. Dem folgte auch das Oberlandesgericht Köln. Es dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass dieser freigesprochen wurde und daher als unschuldig zu gelten habe. Claudia D. dürfe zwar ihren Standpunkt sachlich mitteilen, nicht jedoch mit so detaillierten und emotionalen Äußerungen. Ein Recht auf "Gegenschlag" als Reaktion auf Kachelmanns Interviews gebe es nicht. Dieses bestehe nur im politischen Meinungskampf.
Kritik von Kachelmann
Das Bundesverfassungsgericht sah damit das Recht von Claudia D. auf freie Meinungsäußerung verletzt. Bei den strittigen Äußerungen handele es sich um zulässige Tatsachenbehauptungen, erklärten die Richter. Im Strafverfahren gegen Kachelmann konnte nicht geklärt werden, ob die Vergewaltigungsvorwürfe wahr oder unwahr sind.
Hier sei zudem zu berücksichtigen, dass Claudia D. das Interview unmittelbar nach den Äußerungen Kachelmanns gab und der Freispruch noch nicht rechtskräftig war. Wer im öffentlichen Meinungskampf zu einem abwertenden Urteil Anlass gegeben habe, müsse eine scharfe und überspitzte Meinungsäußerung selbst dann hinnehmen, "wenn sie das persönliche Ansehen mindert", erklärten die Karlsruher Richter.
Kachelmann erklärte via Twitter, er und seine Familie seien erschüttert über das Urteil. "Es bedeutet, dass in Deutschland ein Freispruch entwertet wird und eine Verbrecherin sich in bunten Illustrierten über ihr Opfer lustig machen und eine Täterinnen-Opfer-Umkehr anstreben darf", schrieb der Wettermoderator. Er sei aber zuversichtlich, dass seine ehemalige Geliebte am Ende vor einem deutschen Gericht verurteilt werde.