Die Stadtkirche St. Marien in Pirna ist ein imposanter Bau. Inmitten der pittoresken Altstadt ragt die spätgotische Hallenkirche, die zu den größten Sachsens zählt, über die Häuser hinaus. Jeden Mittwochnachmittag nehmen die Jugendlichen der Gemeinde das Gotteshaus in Beschlag – dann wirkt der Sakralbau plötzlich gar nicht mehr so unnahbar. Direkt vor dem mehr als 400 Jahre alten Altar wird im Kreis gelacht, gequatscht und zur Gitarre gesungen.
Es ist der Auftakt zum Konfirmandenunterricht für die Schüler der 7. und 8. Klasse aus Pirna und einigen umliegenden Dörfern. Eineinhalb Jahre bereiten sich die Jugendlichen der Kirchgemeinden auf ihre Konfirmation vor. So weit nicht ungewöhnlich. Doch das ist auch schon fast das einzige, was an dem Konfirmandenunterricht in Pirna "traditionell" ist. Zu Pfingsten werden dort rund 25 Jugendlichen konfirmiert, die fast ausschließlich von nur wenig älteren Gemeindegliedern unterrichtet wurden – den Teamern.Gemeindepädagogin Kerstin Schubert hält bei dem Projekt die Fäden in der Hand und koordiniert die drei beteiligten Kirchgemeinden und drei Pfarrer. Und natürlich rund 50 Schüler sowie etwa 15 Teamer, ohne die der Konfirmandenunterricht gar nicht stattfinden könnte. Dieses Jahr wird der erste Jahrgang konfirmiert, der nach dem neuen Modell unterrichtet wurde. Bis es so weit kommen konnte, mussten in den Kirchgemeinden etliche Weichen neu gestellt und auch einige Zweifler überzeugt werden.
In Sachsen ist nur etwa jeder fünfte Einwohner evangelisch, viele Orte haben zudem seit der Wiedervereinigung einen Schwund an jungen Menschen hinnehmen müssen. Auch Pirna ist geschrumpft, aber seit einigen Jahren wieder stabil in der Bevölkerungszahl. Und es wollen sich wieder mehr Jugendliche konfirmieren lassen – so viele, dass es für den Pfarrer in der Altstadtgemeinde zu viel wurde; eine andere Pfarrstelle wurde zudem gestrichen. "Für einen Pfarrer war das nicht mehr zu schaffen", sagt Schubert. Da wäre nur noch ein bloßer "Schulunterricht" möglich gewesen.
Eine Weiterbildung in Finnland brachte Inspiration. Die reine Konzentration auf Rüstzeiten wollte Schubert zwar nicht – zu wenig werden die Jugendlichen ihrer Ansicht nach durch dieses Modell in die Gemeinde integriert – doch was faszinierte, war der große Stellenwert der Teamer, die die Jugendlichen auf eine ganz andere Art ansprechen können als Erwachsene. Und dazu das Wissen, dass die Konfirmandenzeit bei den Jugendlichen echte Begeisterung wecken kann.
Ein Jahr lang dauerte die Vorbereitungszeit. Etliche Umfragen wurden gemacht, zu den Wünschen und Vorstellungen der Gemeindeglieder, Kirchenvorstände, Eltern und Jugendlichen. Außerdem wurde getestet, was von der Konfirmandenzeit eigentlich so hängenbleibt. Vor allem die Kirchenvorstände sorgten sich um die Vermittlung der Inhalte. "Aber nur weil der Pfarrer den Unterricht hält, heißt es nicht, dass die Inhalte automatisch ankommen", sagt 37-jährige Gemeindepädagogin.
"Sie wachsen in ihrem eigenen Glauben"
Am Ende stand ein Plan für eineinhalb Jahre. Er ist in Blöcke eingeteilt, die sich je nach Klassenstufe und Jahreszeit unterscheiden. Zunächst erhalten die Teamer pädagogische und theologische Schulungseinheiten, die sie auf den Unterricht vorbereiten. Für jede Stunde gibt es einen genauen Fahrplan, der zuvor besprochen wird. Während des Unterrichts selbst sind die Pfarrer natürlich auch nicht ganz außen vor. So gestalten sie den Abschluss der Stunde und stehen auch für Rückfragen zur Verfügung. Unterrichtet werden die Jugendlichen aber in sechs Kleingruppen von den Teamern.
Zu diesem Grundgerüst kommen über das Jahr hinweg etliche weitere Einheiten. So gibt es mehrere Rüstzeiten, die Vorbereitung aufs Krippenspiel, einen "Konfi-Cup", bei dem spielerisch Wissen abgefragt wird, Besuche bei Gemeindegliedern und verpflichtende Praktika in einer Einrichtung der Heimatgemeinde. Ziel ist, die Bindung zur kirchlichen Gemeinschaft vor Ort schon während der Konfizeit zu festigen. "Diese Schnittstelle wurde früher zu oft verschenkt", sagt Schubert.
Und wie funktioniert es nun in der Praxis? In jedem Fall ist der Konfirmandenunterricht offener, spielerischer und damit wohl auch etwas lockerer geworden, da sind sich alle einig. Die jugendlichen Konfirmanden schätzen vor allem die Ansprache durch nur wenig Ältere. Und auch wenn der ein oder andere Konfi den Unterricht weiterhin eher als lästig ansehe, seien die meisten begeisterter als früher. Auch für die 14 bis 20 Jahre alten Teamer selbst ist das Modell ein Gewinn, zeigt sich Schubert überzeugt. "Durch ihren Einsatz wachsen sie nochmal ganz stark in ihrem eigenen Glauben."
Der 16 Jahre alte Ludwig zumindest will weiterhin Teamer bleiben. Er leitet zusammen mit Freddy (15) eine Konfirmandengruppe. Beide kennen sich unter anderem aus ihrer eigenen Konfi-Zeit. Die habe er damals als sehr schön und wichtig empfunden, sagt Ludwig. Andere hätten aber erzählt, dass ihr Unterricht furchtbar war. Als er vom neuen Modell hörte war im klar: "Da will ich helfen."
An diesem Mittwoch steht das Glaubensbekenntnis auf dem Programm. Es soll den Konfirmanden durch ein Bewegungsspiel nähergebracht werden, außerdem diskutieren sie über den Inhalt. Früher sei es wohl oft so gewesen, dass der Pfarrer erzählt und die anderen geschwiegen haben, sagt Freddy, "weil sie dachten, es könnte vielleicht falsch sein." Stille herrscht auf jeden Fall nicht mehr beim Konfirmandenunterricht in Pirna, das ist klar. Und nachdem die Schüler gelernt haben, was das Glaubensbekenntnis umfasst, gehen sie gemeinsam mit ihren Lehrern zum Spielen auf den Kirchhof.