Straßburg (epd) Jemandem eine notwendige psychiatrische Behandlung zu verwehren und ihn wegen eines weiter bestehenden Sicherheitsrisikos für die Allgemeinheit weiter in Haft zu behalten, stelle eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung dar, entschied am Dienstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. (AZ: 10511/10) Im konkreten Fall ging es um einen Niederländer, der auf der Karibikinsel Curaçao wegen Mordes an einem sechsjährigen Mädchen eine lebenslange Haftstrafe absaß. Ein Gutachter hatte den Straftäter als "zurückgeblieben, kindlich und narzisstisch" eingestuft. Wegen seiner Persönlichkeitsstruktur bedürfe er über einen längeren Zeitraum einer Therapie.
Der Gefangene rügte, dass er in der Haft keine Behandlungsmöglichkeiten wahrnehmen könne. Damit habe er auch keine Chance auf eine vorzeitige Freilassung. Die zuständigen Gerichte entschieden jedoch, dass die lebenslängliche Haftstrafe notwendig sei, um die Allgemeinheit vor dem Mann zu schützen.
Angehörigen recht gegeben
Dagegen hatte der im November 2014 an einer Krebserkrankung verstorbene Straftäter vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde eingelegt. Da Curaçao zum Königreich der Niederlande gehört, gilt hier die Europäische Menschenrechtskonvention.
Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gab den Angehörigen des Verstorbenen, die die Beschwerde aufrechthielten, recht. Die Niederlande müssen danach die Verfahrenskosten in Höhe von 27.500 Euro zahlen.
Da dem lebenslänglich Verurteilten keinerlei Therapie zukam, sei ihm die Chance auf eine vorzeitige Freilassung verwehrt worden, entschied das Straßburger Gericht. Jeder müsse aber eine Chance auf Rehabilitation haben. Damit sei gegen das Verbot einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung verstoßen worden, entschied das Gericht.