Sonntagvormittag: Betriebsamkeit in der Frankfurter Lukaskirche, aufgeregte Unruhe. Denn heute sind die Konfirmanden und Konfirmandinnen für den Gottesdienst zuständig. Alleine, ohne Hilfe haben sie die Feier vorbereitet und organisiert. Seit einer Stunde sind die meisten hier, letzte Absprachen werden getroffen. "Sind alle da? Weiß jeder, was zu tun ist?" Die achtundzwanzig Konfis wuseln durcheinander. Eltern und Verwandte sind gekommen, einige machen Fotos, sind gespannt, was sie heute erwartet. Die Kirche füllt sich. "Ja, ein bisschen chaotisch ist es schon", meint Lea Baumgarten, die am Eingang der Kirche Gesangsbücher austeilt und die Gottesdienstbesucher begrüßt. "Weil heute alle aus unserer Konfi-Gruppe da sind und bei so vielen Leuten ist es ein bisschen schwierig, sich abzustimmen." Aber aufgeregt ist Lea nicht. "So viel muss ich ja nicht machen."
Pfarrer Volker Mahnkopp hat die Konfirmanden bis hier hin begleitet. Vor dem Gottesdienst sagt er: "Das wird ein Abenteuer. Keiner aus der Gemeinde weiß, was ihn heute erwartet. Hoffentlich lassen sich alle darauf ein." Schon über zwanzig Mal hat er Konfirmanden einen Gottesdienst eigenständig organisieren lassen. Woher die Idee? "Der Ursprung war die Frage danach, was 'Konfirmation' überhaupt bedeutet. Aus kirchlicher Sicht werden Konfirmanden zu Erwachsenen. Und wenn sie erwachsen sind, warum sollen sie dann nicht als Erwachsene auftreten?", fragt Volker Mahnkopp. "Für mich gehört zum Christsein und zum christlichen Leben, dass man das tut, was alle Christen schon immer getan haben, an allen Orten, zu allen Zeiten, überall. So verschieden die Christen sind - sie feiern alle Gottesdienste. Also warum sollen sich diese Jugendlichen nicht der Gemeinde in der Weise als Erwachsene präsentieren, dass sie genau das tun können, was alle tun - nämlich Gottesdienst feiern?" fragt der Pfarrer. "Denn die Voraussetzung ist, dass Menschen bereit und in der Lage sind, sich zu überlegen, wie sie auf die Tradition Bezug nehmen und was sie davon weitergeben. Und in dem Moment", sagt Mahnkopp, "in dem Menschen bereit und in der Lage sind, sich mit der Gestaltung des Gottesdienstes zu beschäftigen, mache ich mir keine Sorgen mehr über die Zukunft unserer Kirche."
Welchem Konfi ist welcher Teil wichtig?
Die Konfirmanden feiern an diesem Vormittag einen Gottesdienst zum Thema "Glaube, Liebe, Hoffnung". Die dreizehnjährige Naomi Baumann begleitet alle Lieder auf dem Klavier. "Ja, ein wenig nervös war ich schon, wir haben nur zweimal geprobt", gibt sie später zu. "Aber wir haben uns kaum verspielt. Und was ich heute gelernt habe: Aufregung lohnt sich nicht, es ist nicht schlimm, wenn doch mal etwas daneben geht."
Aber so viel geht an diesem Vormittag gar nicht daneben. Die Jugendlichen hatten während ihrer Konfi-Zeit zusätzlich zum Unterricht drei Seminare, die sie auch auf diesen Tag vorbereitet haben. Einerseits, indem sie - etwa auf der Konfi-Fahrt - Zeit miteinander verbracht, sich kennengelernt und einen inneren Zusammenhalt hergestellt haben. Dadurch konnten die Konfis sehen, wer von ihnen was gut oder weniger gut kann. Andererseits haben sie während der Seminare mehrere Gottesdienste gemeinsam organisiert - allerdings unter Anleitung. Später haben sie dann Gruppen gebildet, die für jeweils ein Element des Gottesdienstes - etwa die Liedauswahl, die Fürbitten, das Abendmahl, den Segen - zuständig waren. "Dabei", so Pfarrer Mahnkopp, "kann man auch sehen: Welchem Konfirmanden ist welcher Teil des Gottesdienstes wichtig? Wer hat sich welches Element besonders gemerkt?" Dass Konfirmanden verschiedene Aspekte von Glaube, Kirche und Gemeinde kennenlernen, darauf legt der Pfarrer wert. Und dass eine Gemeinde den Jugendlichen die Möglichkeit gibt, zu zeigen, was für sie im christlichen Leben und im Gottesdienst von Bedeutung ist.
Doch die Meinungen zu dem Konzept, die Konfirmanden eigenständig einen Gottesdienst feiern zu lassen, gehen auseinander: "Grundsätzlich finde ich die Idee gut. Da steckt viel Potenzial drin", sagt eine Gottesdienstbesucherin. "Aber es kommt doch auch auf die Feinheiten an, und darauf, dass die Jugendlichen konkret lernen, welches Element im Gottesdienst welche Funktion oder welche Bedeutung hat! Das hat mir gefehlt", meint sie und fügt hinzu: "Ich finde es erstaunlich, wie unvorbereitet die Konfis wirkten." Fraglich für sie ist, ob die Chance wirklich genutzt wurde, den Konfirmanden die entsprechenden Gottesdienst-Elemente, ihre Funktion und Bedeutung nahe zu bringen. An diesem Vormittag fehlt ihr etwa das Glaubensbekenntnis. "Aber vielleicht bin ich da auch etwas konservativ, das mag sein", lenkt sie ein.
"Hätte auch schief gehen können"
Früher gab es Unterricht und am Ende der Konfi-Zeit eine Prüfung. Aber geht es im Konfirmandenunterricht in erster Linie darum, Jugendliche Wissen auswendig lernen zu lassen, um sie anschließend abzufragen? Vielerorts, nicht nur in der Frankfurter Lukasgemeinde, hat sich der Konfirmandenunterricht verändert. Jugendliche sollen auch andere Fähigkeiten und Werte mitnehmen, sollen Glauben erleben und ihre eigenen Erfahrungen machen. Dazu gehört auch, sich selbständig und verantwortungsbewusst zu verhalten, so wie bei der Vorbereitung und Organisation dieses Gottesdienstes in der Lukaskirche. "So etwas ist ein Wagnis, ganz klar", sagt Pfarrer Mahnkopp. "Es kann genauso gut auch schief gehen und hier hätte heute ein riesiges Chaos herrschen können. Ich bin Leiter dieser Gruppe, dann wären natürlich entsprechende Nachfragen gekommen. Dass es klappt, dafür gibt es keine Garantie. Aber wir haben in dieser Gemeinde den Erfahrungswert. Und man braucht auch ein Zutrauen." Für ihn gehört es wesentlich dazu, dass Jugendliche nicht nur Ideen Erwachsener ausführen, "sondern dass man sie als eigenständig wahrnimmt".
Auch wenn der Ablauf und die Elemente eher klassisch waren. "Man hat gemerkt: Das haben die Konfirmanden so kennengelernt. Wobei wir ihnen jeden Freiraum lassen", sagt Mahnkopp. "Ich habe zum Beispiel auch schon Konfi-Gruppen erlebt, die am Ende gesagt haben: 'Ja, dann wünschen wir Ihnen einen schönen Tag', statt einen Segen zu sprechen." Den Pfarrer hat im Vorfeld auch interessiert, ob die Jugendlichen es schaffen, als Gruppe aufzutreten, ob es ihnen gelingt, alle gleichermaßen zu beteiligen und zu integrieren. "Und das haben sie geschafft, absolut", meint der Pfarrer nach dem Gottesdienst. Er ist zufrieden mit seinen Konfis: "Häufig traut man Jugendlichen zu wenig zu, meint, sie könnten nicht ernsthaft sein. Aber wer heute hier war, hat gemerkt: Natürlich können auch Jugendliche ernst sein. Ich bin positiv überrascht."
Naomi freut sich, dass im Großen und Ganzen alles gut gelaufen ist. Ihr Vater ist Pfarrer, weshalb sie von klein auf häufig in der Kirche war. "Aber es war spannend, jetzt auch mal selber einen Gottesdienst mitzumachen und zu organisieren", sagt sie. Auch der Gemeinde scheint der Gottesdienst überwiegend gefallen zu haben: Sie belohnt die Konfirmanden mit Applaus. Ganz untypisch an einem Sonntagvormittag in der Kirche.