Expertin: Meiste Hilfsprojekte in Äthiopien nicht für Nomaden
Inmitten der schweren Dürre in Äthiopien kritisiert die Australierin Valerie Browning, die seit fast drei Jahrzehnten bei den Afar-Nomaden lebt, den Charakter vieler Hilfsmaßnahmen.
26.04.2016
epd
epd-Gespräch: Bettina Rühl

Samara (epd) "Die Afar-Region ist vernachlässigter und völlig unterentwickelt", erklärt die 66-jährige Hebamme im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Die meisten Hilfsprojekte sind bestenfalls für sesshafte Gesellschaften angemessen, aber nicht für Nomaden." Browning ist seit 27 Jahren mit einem Afar verheiratet und lebt seitdem am Horn von Afrika.

Mobiles Klassenzimmer

Mit ihrer Kritik zielt Browning sowohl auf Maßnahmen der Regierung als auch von Hilfsorganisationen. Browning war vor gut 20 Jahren Gründungsmitglied einer Organisation von Afar-Nomaden. Deren Ziel ist es seitdem, die Entwicklung ihrer Region im Nordosten Äthiopiens zu fördern. Dort leben inzwischen rund 1,5 Menschen. "Wir achten zum Beispiel darauf, dass Gesundheitsstationen und Klassenzimmer mobil sind, also den Menschen und ihrem Vieh folgen können. Viele andere Organisationen denken dagegen bei ihren Projekten als erstes an ein Gebäude. Aber das ist am Ende womöglich nutzlos, weil die Menschen nicht dauerhaft da sind."

Für die aktuelle schwere Notlage in der Region macht Browning nicht nur das aktuelle Klimaphänomen El Niño und falsche Hilfsmaßnahmen verantwortlich. "Die Krise hat sich seit mindestens zehn Jahren aufgebaut", sagt sie. Grund dafür sei auch eine massive Vernachlässigung der Region durch die Regierung. "Als wir unsere Organisation vor zwei Jahrzehnten gründeten, konnten nur zwei Prozent der Nomaden lesen und schreiben." Daran habe sich noch nicht viel geändert, noch immer sei die Rate der Analphabeten viel zu hoch. "Auch deshalb nehmen die Afar noch immer nicht an der Geldwirtschaft teil."

Herden aufstocken

Der traditionelle nomadische Lebensstil gerät aber unter Druck, das Überleben von und mit Vieh wird immer schwieriger. Der Klimawandel und die damit verbundene größere Häufigkeit von Wetterextremen ist laut Browning dafür der wichtigste Grund. Es gebe immer mehr Trockenzeiten, die immer extremer würden. Die Zeit dazwischen reiche schon lange nicht mehr dafür aus, dass sich die Nomadenfamilien wirtschaftlich erholten. "In immer mehr Haushalten gibt es keinerlei Rücklagen mehr."

Jetzt sei es deshalb wichtig, nicht nur kurzfristig Wasser und Lebensmittelrationen zu verteilen, fordert Browning. "Die Regierung und die Hilfsorganisationen müssen die Herden wieder aufstocken, damit die Nomaden wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen können." Außerdem müsse das Weideland besser gegen Erosion geschützt, das Wassermanagement verbessert werden. "Und vor allem brauchen wir mehr mobile Schulen, damit die Afar beruflich neue Möglichkeiten kriegen."