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TV-Tipp:"Brief an mein Leben" (ZDF)
25.4., ZDF, 20.15 Uhr: "Brief an mein Leben"
Wenn die Seele krank ist, leidet der Körper; das können auch gesunde Menschen nachvollziehen. Die geistige Erschöpfung filmisch umzusetzen, ist dagegen deutlich schwieriger. Umso eindrucksvoller sind die Bilder, die Urs Egger und Laila Stieler für ihre Verfilmung des Burnout-Buches von Miriam Meckel gefunden haben.

Die Handlung beginnt jedoch mit einer Selbsteinweisung: Die erfolgreiche Ozeanografin Antonia sucht eine psychiatrische Klinik auf; sie funktioniert nicht mehr. Immer wieder macht ihr der Körper einen Strich durch ihre Leistungsorientierung. In der Einrichtung fühlt sie sich allerdings komplett deplatziert; mit den zum Teil esoterisch anmutenden Behandlungsmethoden und den lebensuntüchtigen Patienten kann sie überhaupt nichts anfangen.
Stielers Drehbuch basiert auf dem gleichnamigen autobiografischen Sachbuch von Miriam Meckel, in dem die Kommunikationswissenschaftlerin ihre Erfahrungen mit dem eigenen Burnout verarbeitet hat. Der Film fiktionalisiert und verdichtet die Ereignisse allerdings. Auf diese Weise entfernt sich die Geschichte zwar vom Vorbild, wird aber gerade auch dank der ungemein intensiven Verkörperung Antonias durch Marie Bäumer dennoch nicht zur Fallstudie. Geschickt integriert Stieler die Vorgeschichte mittels einer assoziativen Erzählstruktur in die Rahmenhandlung: In bestimmten Momenten gehen Antonia wichtige Ereignisse aus ihrem Leben durch den Kopf, die sie letztlich zu dem Menschen werden ließen, der irgendwann aus der Spur geraten ist. Gerade für die Erschöpfungszustände haben Buch und Regie gemeinsam mit Bild und Ton eindrucksvoll Mittel und Wege gefunden, um zu illustrieren, wie Antonia buchstäblich die Balance verliert. Das bezieht sich neben den Missgeschicken, die ihr immer öfter unterlaufen, vor allem auf eine Antrittsvorlesung, bei der ihr der Schweiß ausbricht und ein schrilles Pfeifen im Kopf jede Konzentration auf ihren Vortrag verhindert. Optische Verfremdungen tun ein Übriges.

Zu einem Sonderfall wird die Geschichte, weil Antonia wie ihr Vorbild eine Überfliegerin ist und rastlos von Erfolg zu Erfolg eilt; die Freude über das Erreichte ist viel zu groß, um den Stress zu empfinden, zumal sie dank der Beziehung zur Dolmetscherin Maria (Christina Hecke) auch privat glücklich ist. Da bedarf es schon eines Katalysators: Als ihre Mutter an Leukämie erkrankt und schließlich stirbt, bricht Antonia zusammen. Es gibt aber auch schöne Erinnerungen; die erste Begegnung mit Maria, die sie auf einer Konferenz kennen lernt, inszeniert Egger wie eine klassische "Liebe auf den ersten Blick"-Geschichte.
Besonders gut gelungen ist die Verknüpfung dieser Rückblenden mit dem Klinikalltag. Einige Szenen wirken wie eine Reminiszenz an den Klassiker "Einer flog übers Kuckucksnest", zumal sich der Film ein paar verblüffend komische Momente leistet; Antonias Skepsis gegenüber den zum Teil fast satirisch inszenierten Therapien lässt sich wunderbar nachvollziehen. Gerade gemessen an der vielschichtigen Hauptfigur sind die Mitpatienten allerdings etwas klischeehaft ausgefallen, zumal das Spektrum wie ein "Best of" der psychischen Erkrankungen wirkt: ein gutmütiger Dicker, eine Magersüchtige, eine Krankenschwester, die sich ritzt und gern sagt, was wahr ist, eine verhuschte Hausfrau, ein vom Schulamt frustrierter Lehrer, ein Polizist, der wohl unter einem Belastungstrauma leidet. Bis auf die erbarmungswürdig dürre Frau machen sie zwar alle nicht den Eindruck, als seien sie vom Leben überfordert, aber dafür ist die Gruppe mit unter anderem Antoine Monot, Jr., Anna Stieblich und Max Hopp treffend besetzt. Gleiches gilt für das Klinikpersonal, allen voran Hanns Zischler als Chef, der genau weiß, wie er der zu einer gewissen Überheblichkeit neigenden Antonia mit kluger Gelassenheit das Segel aus dem Wind nimmt. Marie Bäumer verkörpert die vielen verschiedenen Facetten der keineswegs rundum sympathischen Patientin ohnehin jederzeit glaubwürdig; das gilt für die Höhenflüge ebenso wie für das heulende Elend gegen Ende.