Berlin (epd) Wie eine Sprecherin der Polizei sagte, wurden am Donnerstag Geschäftsräume eines ambulanten Pflegedienstes in Berlin-Spandau durchsucht. Außerdem wurden 27 Wohnungen in Berlin sowie zwei Wohnungen in Falkensee und Dallgow-Döberitz in Brandenburg unter die Lupe genommen und Unterlagen beschlagnahmt. Es geht um Abrechnungsbetrug in der Pflege in Millionenhöhe. Ein Großteil der Beschuldigten ist laut Polizei russischstämmig oder hat eine Herkunft aus der früheren Sowjetunion.
Falsche Abrechnungen
Konkret richtet sich der Verdacht gegen die 41-jährige Leiterin eines ambulanten Spandauer Pflegedienstes und dessen sieben Angestellte. Sie sollen seit Jahren falsche Abrechnungen mit Pflegekassen, Krankenkassen und Sozialämtern vorgenommen haben. Es sollen Leistungen abgerechnet worden sein, die nur teilweise oder gar nicht erbracht wurden. Den Kassen und Sozialämtern sei dadurch ein Schaden von fast einer Million Euro entstanden.
Wie eine Polizeisprecherin weiter sagte, sind nach den bisherigen Ermittlungen auch mindestens 31 Patienten in die Betrügereien verwickelt. Sie hätten, zum Teil nach "Regieanweisungen", falsche Tatbestände vorgetäuscht. So sei beispielsweise bei einem Mann eine Nichtmobilität diagnostiziert worden, obwohl er Fahrrad fahrend gesehen wurde. In einem anderen Fall sei eine Frau betroffen gewesen, die nach dem Befund als unbeweglich galt, aber regelmäßig selbstständig ihren Müll runtergebracht haben soll. Details müssten jetzt die Auswertungen ergeben.
Die Polizei sprach von "sehr umfangreichen Ermittlungen". An der Razzia waren Medienberichten zufolge 130 Polizisten und Staatsanwälte beteiligt.
Mafiöse Strukturen
Innensenator Frank Henkel (CDU) sagte, dem Landeskriminalamt sei "ein großer Schlag gegen organisierte Betrügereien von Pflegediensten gelungen". Ein Betrug der Pflegeversicherung sei ein Angriff auf das Sozialsystem und damit auf alle. "Dass anscheinend sogar Patienten bei dem Betrug mitmachen, ist eine besondere Qualität", sagte der Berliner Innensenator.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz mahnte mehr Ermittlungsdruck in den Ländern gegen mafiöse Strukturen in der Pflege an. Ohne diesen werde es nicht gelingen, "den bundesweiten Sumpf trockenzulegen", sagte Vorstand Eugen Brysch. Es seien in allen Ländern sowohl Schwerpunktstaatsanwaltschaften als auch besondere Ermittlungsgruppen der Polizei notwendig. "Mit dem eisernen Besen bei den Pflegediensten zu kehren, schützt die seriösen Anbieter und vor allem die Pflegebedürftigen", sagte Brysch. Die gemeinnützige Deutsche Stiftung Patientenschutz ist eigenen Angaben zufolge das Sprachrohr schwerstkranker, schwerstpflegebedürftiger und sterbender Menschen mit 55.000 Mitgliedern und Förderern.