Kritik an türkischen Repressionen gegen Journalisten wächst
Nach seiner Festsetzung in Istanbul fordert der ARD-Korrespondent Volker Schwenck eine schnelle Aufklärung. Die SPD drängt Bundeskanzlerin Merkel dazu, bei ihrem Türkei-Besuch das Thema Presse- und Meinungsfreiheit anzusprechen.

Berlin/Stuttgart (epd) Nach der Festsetzung des ARD-Korrespondenten Volker Schwenck in Istanbul wächst die Kritik am Vorgehen der Türkei gegen Journalisten. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte am Mittwoch, die Türkei habe "ganz offensichtlich ein gebrochenes Verhältnis zur Pressefreiheit". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse bei ihrem bevorstehenden Besuch in der Türkei das Thema ansprechen, forderte Oppermann im ARD-"Morgenmagazin". Schwenck verlangte nach seiner Rückkehr nach Ägypten am Dienstagabend eine rasche Klärung des Vorfalls. Der Leiter des ARD-Studios Kairo war bei seiner Einreise in die Türkei knapp zwölf Stunden lang festgehalten worden, wie der Südwestrundfunk in Stuttgart mitteilte.

Vorgehen gegen Andersdenkende

Oppermann sagte, die innere Pressefreiheit in der Türkei sei bedroht. Jetzt werde auch noch die internationale Berichterstattung behindert. Dass Präsident Recep Tayyip Erdogan allein 2.000 Strafverfahren gegen Oppositionspolitiker in der Türkei wegen Beleidigung angestrengt habe, zeige sein Vorgehen gegen Andersdenkende. Wenn Merkel am Wochenende in die Türkei fährt, müsse sie Erdogan klarmachen, dass das so kann nicht weitergehen könne, sagte der SPD-Politiker. Am Dienstag hatte bereits die Grünen-Politikerin Tabea Rößner die Bundeskanzlerin aufgefordert, bei dem Besuch das Vorgehen der türkischen Behörden gegen Journalisten anzusprechen.

Schwenck sagte am Dienstagabend in den ARD-"Tagesthemen", er habe großes Interesse daran, dass die Angelegenheit geklärt werde. Ein genauer Grund für die Festsetzung sei ihm nicht genannt worden. Kollegen in Istanbul hätten herausgefunden, dass es offenbar "irgendetwas mit Grenzverletzung zu tun" habe, erklärte der beim SWR angestellte Journalist. Nach Angaben des Senders hatte Schwenck von Istanbul aus weiter in das türkisch-syrische Grenzgebiet reisen wollen, um dort mit syrischen Flüchtlingen zu sprechen.

Für die Berichterstattung aus Syrien sei es absolut notwendig, in die Türkei reisen zu können, sagte Schwenck in dem Telefoninterview mit "Tagesthemen"-Moderatorin Caren Miosga. Er betonte, dass er von der Polizei auf dem Flughafen Istanbul "anständig behandelt" worden sei. Er habe sich auf der dortigen Polizeiwache frei bewegen, diese aber nicht verlassen dürfen.

Platz 151 von 180 auf Pressefreiheit-Rangliste

Der Chefredakteur von ARD aktuell, Kai Gniffke, äußerte sich erleichtert über die Rückkehr Schwencks nach Kairo. Zugleich sei man jedoch sehr betrübt darüber, dass der Reporter seiner Arbeit nicht uneingeschränkt nachgehen könne, sagte Gniffke am Mittwoch nach der ARD-Hauptversammlung in Potsdam. Man überlege nun, welche weiteren Schritte nötig und möglich seien, um die Berichterstattung aus dem Grenzgebiet zu Syrien aufrecht zu erhalten. Schwenck habe schon mehrfach auch ohne Akkreditierung nach der Einreise in die Türkei aus Nordsyrien berichtet und sei sich keiner Verfehlung bewusst.

Die türkischen Behörden hatten dem SWR-Reporter am Dienstagmorgen am Flughafen Istanbul die Einreise verweigert. Er twitterte, ihm sei von den türkischen Behörden gesagt worden, es gebe einen Vermerk zu seinem Namen.

Die Journalistenorganisation "Reporter ohne Grenzen" monierte, dass die Repressionen gegen Journalisten in der Türkei weiter zugenommen hätten. Auf der Rangliste der Pressefreiheit rutschte das Land in diesem Jahr um zwei Plätze auf Rang 151 von 180 Staaten ab.

Schwencks Festsetzung war am Dienstag einhellig auf Kritik gestoßen. Merkel sagte, die Bundesregierung sehe den Vorgang "mit gewisser Sorge". SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, so könne man mit Journalismus nicht umgehen.