Karlsruhe (epd) Kinder können ihren mutmaßlich leiblichen Vater nicht in jedem Fall zum DNA-Test zwingen. Eine genetische Abstammungsuntersuchung darf nur zur Bestimmung des sogenannten rechtlichen Vaters verlangt werden, der dann auch für alle Rechte und Pflichten der Vaterschaft einstehen muss, entschied das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in Karlsruhe (AZ: 1 BvR 3309/13). Allein zur Klärung des biologischen Vaters, ohne dass dieser dann in einem rechtlichen Verhältnis zum Kind steht, dürfe der Test laut Grundgesetz nicht eingefordert werden. Die Grünen und der Verein "Väteraufbruch für Kinder" sehen nun gesetzlichen Regelungsbedarf und wollen die Rechte der Kinder stärken.
Keine rechtlosen Kinder
Im konkreten Fall ging es um eine 1950 geborene Frau aus Nordrhein-Westfalen. Ihre Mutter hatte ihr zwar gesagt, wer ihr leiblicher Vater sei, ein Vaterschaftsverfahren im Jahr 1955 bestätigte das aber nicht. Damit wollte sich die Frau nicht zufriedengeben. Weil mittlerweile mit einer DNA-Untersuchung die Vaterschaft genau bestimmt werden kann, wollte sie ihren mutmaßlichen leiblichen Vater gerichtlich dazu zwingen lassen.
Solch ein DNA-Test werde schließlich auch bei der Bestimmung der rechtlichen Vaterschaft durchgeführt. Gleiches müsse auch bei der Bestimmung der leiblichen Vaterschaft gelten, argumentierte sie. Der heute über 80-Jährige weigerte sich jedoch. Das Bundesverfassungsgericht urteilte nun, dass es nach dem Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention keinen "isolierten Abstammungserklärungsanspruch gegenüber dem mutmaßlichen leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater" gebe.
Der Gesetzgeber habe zu recht die Vaterschaftsbestimmung per DNA-Test auf rechtliche Vaterschaften beschränkt. Werde die Bestimmung des leiblichen Vaters generell, ohne die Übernahme von Rechten und Pflichten erlaubt, bestehe die Gefahr, dass "ins Blaue" hinein mutmaßliche Väter zum Gen-Test gezwungen würden.
Mit einem erzwungenen Gen-Test würde auch das Recht des mutmaßlichen leiblichen Vaters verletzt, seine geschlechtliche Beziehung nicht offenbaren zu müssen. Gleiches gelte für sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit. Es drohe zudem die Gefahr, dass das Familienleben des mutmaßlichen Vaters besonders belastet werde.
Rechtlos seien die Kinder, die ihren Vater kennen wollen, damit nicht. Denn sie könnten immer die rechtliche Vaterschaft mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten klären lassen. Das war der Beschwerdeführerin jedoch nicht mehr möglich, da ihre erste Vaterschaftsfeststellungsklage 1955 erfolglos war.
Recht auf Kenntnis der Identität
Die rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katja Keul, sagte, nun sei der Gesetzgeber gefordert. "Die Auskunftsansprüche des Kindes müssen gestärkt werden. Die Bundesregierung muss regeln, unter welchen Umständen und gegen wen das Kind seinen Auskunftsanspruch durchsetzen kann", sagte die Politikerin.
Spende beispielsweise ein Mann seinen Samen bei einer Samenbank, dann müsse sichergestellt werden, dass das Kind später Auskunft über seine biologische Herkunft bekommen kann, ohne damit unerwünschte rechtliche Konsequenzen, wie Unterhaltsansprüche oder Vaterschaftsanfechtung mit auszulösen. "Deswegen haben wir einen Antrag in den Bundestag eingebracht, um die Kindesinteressen bei der Samenspende gesetzlich abzusichern", erklärte Keul.
Markus Witt, Mitglied des Bundesvorstandes des in Frankfurt am Main ansässigen Vereins "Väteraufbruch für Kinder", sagte, Kinder hätten ein Recht auf Kenntnis ihrer Identität: "Die Herkunft eines Menschen prägt ihn. Die genetische Prägung, die durch die biologischen Eltern erfolgte, hat maßgeblichen Einfluss auf dessen Entwicklung."
Er regte an, "die Regelungen zur Vaterschaftsfeststellung über die bisherigen Regelungen der rechtlichen Familie oder der ungeklärten Vaterschaft hinaus zu erweitern". So würde das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner biologischen Abstammung gestärkt werden. Zwar sei der jetzt in Karlsruhe entschiedene Fall einer mit einer "sehr speziellen Konstellation", die in dieser Form nur in absoluten Ausnahmefällen auftrete. Trotzdem zeige sich, "dass das Thema rechtlich noch nicht befriedigend geklärt wurde", sagte Witt.