Bei einem Reitunfall zieht sich Ännie (Heike Makatsch) eine schwere Kopfverletzung zu und fällt ins Koma. Ihr Mann Leo (Benno Fürmann) kümmert sich liebevoll um sie, aber auch nach drei Monaten sind praktisch keine Fortschritte erkennbar. Als ein weiterer Komapatient in das Zimmer kommt, zeigt sich rasch, dass dessen Freundin Esther (Jessica Schwarz) und Leo mehr als nur das Schicksal ihrer Partner verbindet. Ausgerechnet nach ihrer ersten gemeinsam verbrachten Nacht wacht Ännie wieder auf.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das Handlungsmuster birgt großes Melodrampotenzial, aber Autor Bernd Lange umgeht die entsprechenden Kitschfallen ebenso geschickt wie konsequent. Wäre dies ein Montagsfilm, könnte man konstatieren: Gut, dass das ZDF keine Sonntagsschmonzette draus gemacht hat. Aber „Zweimal zweites Leben“ ist ein Beitrag für das Sonntags-“Herzkino“; umso erstaunlicher, dass das Drehbuch auch unbequeme Fragen anspricht. So darf Esther zum Beispiel zugeben, dass sie sich den Tod ihres Freundes wünscht, um endlich Gewissheit zu haben und das neue Leben beginnen zu können, von dem sie schon während der zuletzt offenbar kriselnden Beziehung geträumt hat. Leo ist dagegen ein völlig anderer Typ: immer zuversichtlich, immer gut gelaunt, offenbar durch nichts zu erschüttern; Benno Fürmann versieht diesen Mann mit einer fast übernatürlichen Lebensfreude. Ohnehin sind die Hauptdarsteller ausnahmslos vorzüglich und facettenreich, und das gilt keineswegs nur für das prominente Trio: Vierte im Bunde ist Sofie Eifertinger als Teenagertochter von Leo und Ännie, die selbstredend mit großem Argwohn beobachtet, wie sich Leo und Esther näherkommen. Die Zora ist ihre erste größere Rolle. Sie macht das fabelhaft und mit erstaunlicher Präsenz; nebenbei hat sie einige wunderbare Dialogzeilen.
Während Leo strahlt und Esther dank seiner Anteilnahme neuen Lebensmut gewinnt, hat Heike Makatsch die scheinbar undankbarste Rolle, schließlich besteht ihre Aufgabe eine Filmhälfte lang darin, reglos im Bett zu liegen. Aber Lange führt die Familie mit einem beschwingt inszenierten unbeschwerten Ausflug ein, der verdeutlicht, wie prächtig die drei miteinander harmonieren; umso schwerer trifft Leo und Zora der Schicksalsschlag. Makatschs Herausforderung beginnt mit Ännies Erwachen: Die Frau muss wie nach einem Schlaganfall erst wieder gehen und sprechen lernen. Aber der Unfall hat noch fatalere Folgen: Sie hat ihr Gedächtnis verloren; Leo und Zora sind Fremde für sie. Obwohl das Drehbuch schon Stoff für zwei Filme enthält, konfrontiert Lange seine Hauptfigur Leo noch mit Ännies Eltern (Manfred Zapatka, Lisa Kreuzer): Vater Josef besteht darauf, seine Tochter in ein Pflegeheim zu überführen, das allerdings in der Nähe von Ännies Elternhaus und somit 300 Kilometer weit weg ist.
Angesichts der überzeugenden Schauspielerführung sowie der facettenreichen und immer wieder auch mal komischen Geschichte, die mit liebevoll umgesetzten Details (etwa ein Tanz Leos mit der reglosen Ännnie) und einem unerwarteten Ende überrascht, ist es umso erstaunlicher, dass sich das Regieduo Claudia Prietzel und Peter Henning im Nachhinein von „Zweimal zweites Leben“ distanziert hat. Beide firmieren nun als Elaine und Alan Smithee, eine Ironie, die nur Eingeweihte verstehen: Hinter dem Pseudonym Alan Smithee verbergen sich Hollywood-Regisseure, wenn ein Film aus ihrer Sicht im Verlauf der Postproduktion (Schnitt, Musik etcetera) so stark verändert worden ist, dass sie sich nicht mehr damit identifizieren wollen.