Düsseldorf (epd) Der Prozess um das Attentat auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hat am Freitag vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf begonnen. Der mutmaßliche Attentäter Frank S. ist wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. (AZ.: OLG Düsseldorf, III – 6 StS 1/16). Zu Prozessbeginn bezeichnete einer der beiden Verteidiger die Verhandlung als "politischen Prozess". Die Vorsitzende Richterin, Barbara Havliza, wies den Vorwurf zurück. "Der Senat führt keine politischen Prozesse", erklärte sie. Das Gericht hat elf Verhandlungstage bis zum 23. Juni vorgesehen.
Reker gewann einen Tag später OB-Wahl
Nach Auffassung des Generalbundesanwalts hat der 44-jährige Angeklagte am 17. Oktober des vergangenen Jahres "heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen" versucht, Reker zu töten. Mit dem Attentat habe Frank S. ein Zeichen gegen die deutsche Ausländer- und Flüchtlingspolitik setzen wollen, hieß es. Reker war als damalige Kölner Sozialdezernentin mitverantwortlich für die Flüchtlingsbetreuung der Stadt. Zudem habe der Mann verhindern wollen, dass die Politikerin zur Oberbürgermeisterin gewählt wird. Der Angeklagte soll außerdem vier weitere umstehende Personen mit einem Messer verletzt haben.
Für seine Tat hatte der Mann ein Brotmesser sowie ein sogenanntes Bowie-Messer mit einer 30 Zentimeter langen Klinge bei sich getragen. Als Reker ihm an einem Wahlkampfstand eine Rose überreichen wollte, habe der Angeklagte der Politikerin völlig überraschend "von vorne in den Hals gestochen". Reker sei nicht in der Lage gewesen, sich zur Wehr zu setzen, erklärte der Vertreter der Bundesanwaltschaft.
Die Klinge des Bowie-Messers sei gut zehn Zentimeter in den Hals eingedrungen und hätte fast zu einer vollständigen Durchtrennung der Luftröhre geführt, hieß es bei der Verlesung der Anklageschrift weiter. Als die Politikerin auf dem Boden lag, habe Frank S. mit dem Messer auf weitere Personen eingestochen. Nachdem Passanten ihn überwältigt hatten, wartete der Angeklagte auf das Eintreffen der Polizei. Die lebensgefährlich verletzte Reker gewann einen Tag später die Oberbürgermeisterwahl.
Anwalt: Angeklagter will Aussagen zur Motivation machen
Der Angeklagte ließ durch einen seiner Anwälte erklären, dass er im Verlauf des Prozesses auch Aussagen zur Motivation seiner Tat machen wolle. Einer der Anwälte sagte zum Prozessauftakt, wenn das Opfer keine höherstehende Politikerin gewesen wäre, wäre die Tat nur als gefährliche Körperverletzung angeklagt worden. Zudem sei die seinem Mandanten von der Anklage unterstellte Tötungsabsicht "fernliegend", sagte der Verteidiger. Wenn Frank S. wirklich hätte töten wollen, dann wäre "es ein leichtes für ihn gewesen, dies auch final durchzuführen".
Der Verteidiger sagte, die Flüchtlingspolitik in Deutschland sei für viele Bürger "irritierend" gewesen. Die Kluft zwischen dem politischen Handeln der Regierung und der Einstellung der normalen Bürger zum Thema Flüchtlinge sei damals groß gewesen, eine freie Diskussion darüber habe nicht stattfinden dürfen, so der Rechtsanwalt.
Im weiteren Verlauf des ersten Prozesstages wurde der Angeklagte zu seinem persönlichen und beruflichen Werdegang befragt. Etwa mit fünf Jahren sei er in eine Pflegefamilie in Bonn gekommen, sagte Frank S., der als junger Mann wegen verschiedener Delikte eine Haftstrafe von 37 Monaten absitzen musste. Das Verfahren wird am 22. April fortgesetzt.