Pro und Kontra: Tablets in Kindertagesstätten
Erst kürzlich plädierte die nordrhein-westfälische Familienministerin Christina Kampmann (SPD) dafür, Tablet-Computer in Kindertagesstätten einzuführen. Aus pädagogischer Perspektive gehen die Meinungen auseinander, wie sinnvoll dieser Vorschlag ist. Der Evangelische Pressedienst (epd) stellt die Positionen der Initiative "Schau hin!" und die des Bundesverbands deutscher Kinder- und Jugendärzte vor.
14.04.2016
epd
Elisa Makowski

Frankfurt a.M. (epd)

PRO

Die Medienpädagogin der Initiative "Schau hin!", Kristin Langer, spricht sich für einen verantwortungsvollen Einsatz von Tablets in Kindertagesstätten aus. "Tablets können die altersgerechte Entwicklung von Kindern sogar unterstützen", sagt Langer. "Wenn sich eine Einrichtung für Tablets entscheidet, wird dahinter ein bewusstes, medienpädagogisches Konzept stehen." Deshalb müssten sich Eltern keine Sorgen machen, dass Tablets von den Erziehern genutzt werden, um die Kinder ohne Betreuung zu beschäftigen. Auch eine individuelle Förderung sei mit Hilfe eines Tablets denkbar, sagt Langer.

Mit einem Tablet könnten Pädagogen ein Kind zum Sprechen animieren. Das Kind könne zum Beispiel seine eigene Stimme aufnehmen und wieder abspielen oder sich Begriffe vorlesen lassen. "Das ersetzt natürlich nicht eine Bezugsperson, die mit dem Kind spricht, das Tablet kann aber eine Ergänzung sein", sagt Langer.

Zudem könnten Kinder mit den Geräten selbst produktiv werden. Vogelstimmen im Wald aufnehmen, Fotos machen: "Mit einem Tablet können sich Kinder auch mit Technik vertraut machen und sie anwenden." Dabei sei wichtig, dass eine Betreuungsperson das Kind bei der Nutzung des Tablets unterstützt.

Wichtig sei, so schlägt Langer vor, dass sich Einrichtungen und Familien über altersgerechte Inhalte abstimmen. Manchmal könnten Kindertagesstätten auch ergänzende Impulse geben. Dadurch lernen Kinder die Vielfalt von Medienangeboten kennen und begründet auszuwählen.

KONTRA

Dagegen rät der Kinderarzt und Pressesprecher des Bundesverbands deutscher Kinder- und Jugendärzte Hermann Josef Kahl von der Nutzung von Tablets in Kindertagesstätten ab. Er befürchtet die Gefahr des "Ruhigstellens" von Kindern, wenn sie Tablets benutzen dürften. Kahl: "Die Situation in deutschen Kindertagesstätten ist katastrophal." Wenige Erzieher kümmerten sich um große Kindergruppen. Es gebe oft zu wenig Zeit, die Kinder individuell zu fördern.

"Kinder sollten, bevor sie Wischen lernen, erst einmal sprechen lernen", betont der Kinder- und Jugendarzt. "Die zentrale Frage ist: Was wollen wir Kleinkindern als erstes beibringen?" Kindern anzubieten, zu sprechen und sie zu loben, wenn sie erfolgreich erste Worte sagten, sei die wichtigste Aufgabe von Kindertagesstätten.

"Vom einem Tablet kommt keine Rückmeldung - besonders keine emotionale", sagt der Kinder- und Jugendarzt. Wenn sich kleine Kinder zu früh und zu häufig mit Monitoren aller Art beschäftigten, sei die Gefahr groß, dass sich die individuelle Sprachentwicklung verzögere. Unter vier Jahren sollten nach Empfehlung des Mediziners Kleinkinder gar nicht vor Monitore gesetzt werden - auch nicht in der Familie.