Es war sein großer Durchbruch vor 13 Jahren: US-Rapper 50 Cent begründete mit seinem Album "Get Rich or Die Tryin'" nicht nur eine neue Ära im amerikanischen HipHop, er startete auch in eine kommerziell beispiellos erfolgreiche Karriere. Nichtsdestotrotz ging im vergangenen Jahr die Nachricht von seiner endgültigen Pleite durch die (vor allem) Online-Medien.
Man darf konstatieren, dass es den Veranstaltern nicht nur um kommerziellem Erfolg, wohl aber buchstäblich um das Überleben diverser traditioneller Medien ging, als sie das Themenmotto formulierten - womöglich auch mit dem Schicksal des vom Abstieg gebeutelten Künstlers vor Augen. Es ging ihnen um geänderte Nutzungsgewohnheiten, steigenden Kostendruck, neue Formate, Kanäle und Produkte und damit einhergehend neue Strategien, Konzepte und Workflows. Dass ein Veränderungsdruck existiert, ist unstrittig. Die Frage lautet: Wie damit umgehen?
Im Verlauf des Tages wurden dazu hauptsächlich zwei gegensätzliche Haltungen deutlich: Neu erfinden oder reformieren. Sowohl hr-Intendant Manfred Krupp als auch der Medienbeauftragte des Rates der EKD, Markus Bräuer, tendierten in ihren Begrüßungsreden eher zu Letzterem: Krupp erschien das Neuerfinden "etwas verwegen", Bräuer verwies auf "Reformator" Martin Luther, der immerhin den Anstoß für die Erneuerung einer ganzen Kirche gegeben habe. Aber nicht allein: So brauche es in den Redaktionen zwar immer einzelne Impulsgeber, aber auch ein Team, das kooperiert. Außerdem sei es wichtig, sich von der Idee eines Patentrezepts zu verabschieden. Vielmehr müsse vieles ausprobiert werden, neue Plattformen aufgebaut und/oder genutzt werden.
Sehr viel weiter ging da Ulrike Langer. Die Fachjournalistin mit Wohnsitz in Seattle berichtete von den Erfahrungen in der US-Medienlandschaft. Eine davon: Plattformen, die eine "Heimat" bilden, also traditionelle Homepages bspw., seien am Aussterben, "heimatlose Inhalte" (Homeless Media) die Entwicklung der Zukunft. Ihre These: Das Lineare Fernsehen geht den Weg des gedruckten Papiers: Den Bach runter! Stattdessen seien TV-Inhalte von Nicht-TV-Sendern (wie Amazon oder Netflix) die Gewinner von morgen, genauso wie das Individual-Live-TV der Smartphone-Nutzer über Dienste wie Snapchat oder Periscope. Deren großer Vorteil: Die Ausrichtung am Nutzer, dem indiviualisierten Adressaten, ähnlich wie bei Messengern oder Nachrichten-Chat-Apps wie "Quartz".
Diesen Vorteil, das Kennen ihrer Nutzer, haben die Macherinnen von "Edition F" folgerichtig zum Erfolgsrezept gemacht. Ihr Vehikel dazu: Die aufwändig gepflegte Community. Mitgründerin Teresa Bücker berichtete, dass 50 Prozent der Arbeitszeit sämtlicher Redakteurinnen für die Pflege der Kontakte auf Augenhöhe mit den Nutzerinnen aufgebracht wird. Der Lohn: Erstaunliche Reichweiten durch passgenaue Themen, neue Autorinnen aus dem Kreis der Nutzerinnen und nicht zuletzt: praktisch keinerlei Ärger mit Trollen. Ein Ansatz im Übrigen, den die Macherinnen von "Edition F" sich von jungen YouTuberinnen abgeschaut haben, genauso wie das ständige experimentelle Weiterentwickeln ohne große Konzeptdiskussionen. Ihr Credo: Egal ob die Zielgruppe Frauen sind oder junge Menschen (oder irgendeine andere): Sie alle wollen ernst genommen werden.
Das genau war es auch, was Sam Whipple letztlich als Quintessenz seiner Erfahrungen als "Change Coordinator" bei der BBC bezeichnen würde. Für ihn standen allerdings eher die Menschen am anderen Ende der Medienkanäle im Mittelpunkt der diversen Transformationsprozesse, die zu leisten waren, um Radio und Fernsehen fit zu machen für das Online-Zeitalter. Unter anderem musste der Umzug der Abteilungen in ein gemeinsames Newsroom bewerkstelligt werden und das Einführen von Online-First-Konzepten. Gelingen konnte dies nur, so Whipple, indem darauf geschaut wurde, was die Menschen an ihren Arbeitsplätzen brauchen - und mit Überzeugungsarbeit, dass Online-Inhalte insgesamt mehr Publikum bringen: "Wenn man an den Menschen zerrt und schiebt wie an einem störrischen Esel", so Whipple, "dann verhalten sie sich auch wie einer."
Dem Rauschen im Netz organisiert zuhören
Ein dickes Fell forderte auch Mathias Müller von Blumencron, Digitalchef der FAZ, von Journalisten, die "mehr Rückgrat und ein dickeres Fell denn je" brauchten. Im Zeitalter von Shitstorms und digital verbreiteten Verschwörungstheorien habe es das "Unternehmen Aufklärung" besonders schwer. Die reine Vermittlung von Wahrheit reiche nicht mehr aus. Deswegen sei es zwar unvermeidlich, sich mit Playern wie Apple, Google oder Facebook einzulassen, dabei müsse man aber ausloten, wie man "das Biest füttern kann, ohne dass es einen frisst."
Schließlich würden die Inhalte der Medien von den Plattformen ja auch gebraucht. Deshalb plädierte von Blumencron auch klar für eine "Sowohl-als-auch"-Strategie in Bezug auf Fremdplattformen. Von "Homeless Media" hält er daher wenig (nicht zuletzt auch vom Begriff innerhalb einer medialen Diskussion), schließlich stehe das "Home", die eigene Destination auch für die dringend benötigte Glaubwürdigkeit, die in Zukunft mehr denn je gebraucht würde, auch um Nutzern Orientierung zu geben.
Dass das auch umgekehrt geht - von Nutzern Orientierung zu bekommen – das zeigten Michael Bröcker, Chefredakteur, und Daniel Fiene, Social Media-Redakteur bei der Rheinischen Post auf. Dort gibt es seit kurzem ein "Listening Center". Damit ist eine Software und ein "Audience-Development-Team" von zurzeit vier Personen gemeint, die ein breit angelegtes systematisches Monitoring in diversen Social Media-Kanälen, Foren etc. ermöglichen. Auf diese Weise können vor allem im Lokalbereich frühzeitig Themen identifiziert oder überhaupt erst gefunden werden, die dann den Lokalredaktionen zur Verfügung gestellt werden. Auch "Themenfilterblasen" könnten so vermieden werden. Nach Meinung Fienes komme es ohnehin nicht mehr darauf an, bloß auf Augenhöhe mit den Nutzerinnen und Nutzern zu kommunizieren, sondern vielmehr: einen Schritt auf sie zuzugehen! Das bedeute vor allem: Empathie, aber auch Bündelung und Vereinfachung von Kommunikation für die Nutzer und mit den Nutzern.
Vielleicht ist es am Ende ja ganz einfach (und doch gar nicht trivial): Ein Erfolgsrezept, ohne das es in den digitalen Veränderungsprozessen anscheinend nicht geht – und das ist eine gute Nachricht – lautet: Am Ende geht es immer um den Menschen, egal auf welcher Seite des Medienkanals. Wenn Medien dies beherzigen, könnten sie es womöglich vermeiden, am Ende mit 50 Cent konstatieren zu müssen: "I don’t know what you heard about me, but a bitch can’t get a dollar out of me."