Böhmermann sagt nächste Sendung ab
Jan Böhmermann liegt es offenbar schwer im Magen, dass er eine Staatsaffäre ausgelöst hat. Trotz Rückendeckung durch ZDF-Intendant Thomas Bellut und zahlreiche Unterstützer hat er die nächste Ausgabe des "Neo Magazin Royale" abgesagt.

Mainz (epd) Die für Donnerstag geplante nächste Ausgabe des "Neo Magazin Royale" auf ZDFneo mit Moderator Jan Böhmermann ist abgesagt worden. Die Produktionsfirma btf GmbH und Böhmermann haben entschieden, die Ausgabe nicht zu produzieren, wie sie am Dienstag mitteilten. "Grund ist die massive Berichterstattung und der damit verbundene Fokus auf die Sendung und den Moderator", hieß es in der Erklärung. Das ZDF bestätigte die Absage. Man respektiere die Entscheidung und habe Verständnis für die Begründung, erklärte der Sender. Unterdessen kann Böhmermann auf immer mehr Unterstützung aus Politik, Kultur und Medien zählen.

Erdogan stellt Strafantrag

Hintergrund der Absage ist die seit Tagen andauernde Debatte um ein Schmähgedicht auf den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, das Böhmermann am 31. März im "Neo Magazin Royale" verlesen hatte. Erdogan hat nach Paragraf 185 des Strafgesetzbuchs Strafantrag wegen Beleidigung gegen den Moderator gestellt, wie die Staatsanwaltschaft Mainz mitteilte. Der Antrag werde in dem bereits anhängigen Verfahren wegen Angriffs gegen Organe und Vertreter ausländischer Staaten nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs geprüft, erläuterte die Ermittlungsbehörde.

Die Bundesregierung hatte am Montag bestätigt, dass die türkische Regierung förmlich eine Strafverfolgung Böhmermanns verlange. Die Regierung in Berlin muss eine Ermächtigung erteilen, wenn weitere Ermittlungen nach Paragraf 103 möglich sein sollen. Für die Entscheidung will sie sich einige Tage Zeit nehmen. Böhmermann hatte dem umstrittenen Gedicht vorangestellt, dass er damit die Grenzen dessen überschreite, was Satire dürfe. Das ZDF löschte das Gedicht am 1. April aus der Mediathek.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sprach sich unterdessen für eine Streichung des Paragrafen 103 des Strafgesetzbuchs aus. Der Paragraf sei "eine antiquierte Vorschrift. Die passt nicht mehr in unsere Zeit", sagte Oppermann in Berlin. Es wäre zudem "unerträglich", wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Erdogan beim Wunsch nach Strafverfolgung behilflich sein müsste. Er könne "im ganz normalen Wege" die Strafbarkeit überprüfen lassen, sagte Oppermann. Er schlug vor, die Streichung bereits in der nächsten Sitzung des Bundestags zu beschließen.

Grüne kritisieren Merkel

Inzwischen stellte das ZDF klar, dass die Affäre um Böhmermann keinen Einfluss auf die Satire-Programme des Senders habe. "Ich stehe natürlich zu den Satire-Sendungen, zu den Moderatoren und zu Herrn Böhmermann auch", sagte ZDF-Intendant Thomas Bellut. Momentan gehe es "um eine kleine Passage in einer seiner letzten Sendungen, über die heftig diskutiert wird". Allerdings entspreche diese nicht den Qualitätsvorstellungen, die das ZDF für Sendungen dieser Art habe.

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki rechnet nicht damit, dass es zu einer Anklage gegen Böhmermann kommt. Er halte die Schmähkritik gegen Erdogan zwar für geschmacklos, sagte Kubicki dem Radiosender NDR Info. Nach seiner persönlichen Einschätzung als Strafverteidiger glaube er allerdings, "dass es gedeckt ist durch die Kunstfreiheit und deshalb eine weitere Ermittlung keine Aussicht auf Erfolg haben wird".

Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, erklärte, die Bundeskanzlerin habe sich in den vergangenen Wochen gegenüber der Türkei in Fragen der Menschenrechte duckmäuserisch verhalten. "Sie hat selbst mit ihrem Verhalten zu den Beiträgen von 'Extra 3' und Jan Böhmermann den Fall politisiert", sagte er. "So trägt sie selbst die Verantwortung für den Schlamassel, in dem sie steckt." Merkel solle den Antrag der türkischen Regierung zurückweisen, forderte Hofreiter.

Medienrechtler: Erdogan kann Zivilklage anstrengen

Nach Einschätzung des Medienrechtlers Reinhart Ricker könnten Böhmermann gleich mehrere Gerichtsverfahren bevorstehen. Die Ermittlungen wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts hätten formal nichts mit der von Erdogan als Privatmann beantragten Strafverfolgung zu tun, sagte der emeritierte Mainzer Universitäts-Professors am Dienstag dem epd. Im ersten Fall würde geprüft, ob die Integrität des türkischen Staates Schaden genommen habe, im zweiten gehe es um die persönliche Ehre Erdogans. Außerdem könne der Politiker noch eine Zivilklage anstrengen.

Den umstrittenen Paragrafen 103 des Strafgesetzbuchs, der für die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter in schweren Fällen bis zu fünf Jahren Gefängnisstrafe vorsieht, hält Ricker für nicht mehr zeitgemäß. "Das ist ein Anachronismus", sagte er.

Eine Online-Petition auf der Plattform Change.org, in der "Freiheit für Böhmermann" gefordert wird, unterzeichneten bis Dienstagnachmittag 130.000 Menschen. Die Bloggerin Christine Doering will die Unterschriften demnächst der Bundesregierung übergeben.