Berlin (epd) In Deutschland gelten zur Zeit mehr als 8.600 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge als vermisst. Rund 780 davon seien jünger als 13 Jahre alt, teilte das Bundesinnenministerium am Montag in Berlin mit. Mehr als 7.750 und damit die überwiegende Mehrheit sei zwischen 14 und 17 Jahren alt. Da sich die Zahlen auf den 1. April als Stichtag beziehen, könnten sie sich in der Zwischenzeit verändert haben, hieß es aus dem Ministerium.
Die Statistik war anlässlich einer Antwort auf eine kleine parlamentarische Anfrage der Grünen veröffentlicht worden. Darin heißt es, Gründe für das Verschwinden der Flüchtlingskinder könnten nicht genannt werden. Die vermissten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge kämen jedoch "überwiegend aus Afghanistan, Syrien, Eritrea, Marokko und Algerien".
Familienministerium: Minderjährige werden oft mehrfach registriert
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums nannte die bekanntgewordene Zahl der Vermissten ungenau und relativierte sie: Wahrscheinlich sei sie viel höher als die Zahl der Flüchtlingskinder, die tatsächlich verschwunden seien. Die Statistik addiere Registrierungen auf, korrigiere sie aber kaum nach unten, sagte der Sprecher. Minderjährige, die in Deutschland ankämen, würden in Obhut genommen und registriert. Macht sich ein Minderjähriger danach eigenständig weiter auf die Suche nach seinen Verwandten und finde sie in einer anderen Stadt oder gar im europäischen Ausland, falle er in der Regel nicht aus der Zählung der Vermissten. Nur in den seltensten Fällen erführen die Behörden davon.
Eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums ergänzte, dass es in Deutschland zudem zu Mehrfachregistrierungen komme. Auf der Suche nach Verwandten könnten einige Minderjährige möglicherweise "vier- bis fünfmal" erfasst werden. Nach der ersten Registrierung bei der Ankunft in Deutschland folgten weitere, etwa wenn die Flüchtlinge in einer anderen Stadt von der Polizei aufgegriffen würden oder dort nach einem neuen Schlafplatz suchten. "Wir haben da mehrere Zählungen", sagte die Sprecherin. Daher müsse der Datenaustausch verbessert werden.
Beide Ministeriumssprecher betonten, man nehme Vermisstenmeldungen sehr ernst. "Wir sind schon sehr sensibilisiert, denn es ist eben nicht ausgeschlossen, dass Kinder und Jugendliche in die Hände von Kriminellen fallen", sagte die Sprecherin. Auch die Grünen-Politikerin Luise Amtsberg warnte davor, dass verschwundene Flüchtlingskinder Opfer von Menschenhändlern werden könnten. Es bereite ihr Sorgen, dass die Bundesregierung "die Gefahren durch Zwangsprostitution und Ausbeutung nicht ernsthaft in Betracht zieht", erklärte sie. "Dass 5.835 unbegleitete Jugendliche und Kinder, die im vergangenen Jahr verschwunden sind, die Bundesregierung nicht in Alarmbereitschaft versetzen, ist traurig."