Warum uns das 2016 wichtig war: In diesem Jahr gab es - wieder einmal - so viele schlimme Ereignisse, von denen berichtet werden, so viele traurige Geschichten, von denen erzählt werden musste. So viele Umwälzungen, Veränderungen, Verwerfungen. Schön, wenn es dazu auch noch Konstanten gibt. Konstanten, die über Jahrzehnte oder noch viel länger die Menschen verbinden - so, wie die Erinnerungen an die eigene Konfirmationszeit und -feier. Auch wenn nicht alle von ihnen lustig sind, so sind sie doch offenbar zumindest wertvoll. Wir hatten diesen Aufruf auf Facebook gestartet und bekamen so viel zurück. Und zwar Geschichten statt Hass, Erinnerungen statt Hetze, Lachen statt Geschrei. Ein ganz anderes Social Media-Erlebnis. So, wie wir es uns eigentlich vorstellen: "sozial" im besten Sinne, verbindend. Es hat mir einfach viel Freude gemacht, mich durch die Geschichten unserer NutzerInnen zu wühlen und sie für alle anderen zusammenzustellen. - Claudius Grigat, Redakteur bei evangelisch.de
Dieser Artikel wurde erstmals am 14.4.2016. veröffentlicht.
Auffällig bei den Erinnerungen der Userinnen und User: Die allermeisten Menschen scheinen sich tatsächlich noch ziemlich genau daran zu erinnern, welche Kleidung sie zur Konfirmation trugen. So wie Anke Mörsch: "Ich durfte keine Hose tragen. Das war für mich leider sehr schlimm! Konfirmation war für mich mit Inhalten und meinem Glauben verbunden - aber leider dadurch getrübt, dass ich in einen Rock gezwungen wurde!" Oder Sibille Anja: "Meine Konfirmation? Ein Alptraum! Ich hatte eines der bestgefüllten "Gottesdienstbesuchsheftchen", konnte meine Psalmen und den kleinen Katechismus auswendig und musste im MINIROCK in die Kirche! Ich habe mich so geschämt! Auf dem Konfirmandenbild stehe ich ganz hinten. Ich hatte sowas von keine Figur für einen Minirock. Es war aber nun mal kein Geld für neue Konfirmationsklamotten da und ich musste in geschenkter Second-Hand-Kleidung zur Konfirmation gehen."
Karl Weigt war mit der "Uniformierung" vor allem der Konfirmandinnen nicht einverstanden: "Ich denke mit Grausen daran, dass die Mädels gezwungen waren, in unkleidsame schwarze Kleider zu schlüpfen, in denen sie aussahen wie gerupfte Amseln. Ich kenne keines der Mädchen, welches dieses Kleid später auch nur noch einmal getragen hat." Etliche Nutzerinnen geben ihm da Recht. Ute Grasser: "Das schwarze Kleid sah nach Trauer aus. Seit der Zeit mag ich kein schwarz." Ingeborg Lieselotte Scheich: "Skandal, mein Kleid war dunkelblau: Alle anderen kamen in schwarz, der Herr Pfarrer war verärgert ... Und nicht zu vergessen: Die Dauerwelle – grauenvoll!" Ähnlich ging es auch Nicole Stigler: "Meine Mutter wollte nicht, dass ich schwarz trug, daher bekam ich einen schwarzen Rock mit weißen Punkten, dazu eine weiße Bluse und eine schwarze Boleroweste. Todschick, insbesondere in Verbindung mit der Dauerwelle."
Auch Jutta Bergmann weiß noch genau, wie sie aussah: "Ich trug ein Samtkostüm und eine mit Haarspray befestigte Fönwelle. Auf dem Gruppenfoto vor der Kirche stehe ich in der ersten Reihe und man sieht ganz fantastisch meine O-Beine." Was danach kam, war für sie offensichtlich noch schlimmer: "Die Feier fand ich schrecklich, auch die Nachfeiern mit den Nachbarn, ehemaligen Nachbarn, Freunde meiner Eltern etc. Und ich musste auch immer dabei sein, dabei wäre es sicherlich nicht aufgefallen, wenn ich nicht da gewesen wäre." Ihre Feier fasst Ute Grasser ganz lapidar zusammen: "Es gab Kartoffelsalat und Wienerle. Und meine erste Uhr. Links haben die Mädchen, rechts die Knaben gesessen."
Eine andere zentrale Erinnerung ist auf jeden Fall der Konfirmationsgottesdienst. Da galt es, den nötigen Ernst zu bewahren. Alina Busch-Menges: "Im Grunde hatte ich die ganze Zeit nur Angst, dass ich anfange zu lachen und nicht mehr aufhören kann." Nicole Stigler: "Die Frau unseres Pfarrers saß im Gottesdienst immer hinter uns und verteilte Knuffe, wenn wir miteinander flüsterten. Die Predigten waren langweilig, trotzdem mochten wir unseren Pfarrer und seine Frau. Die Konfirmation war feierlich und lang inklusive Abendmahl für die Konfirmanden und die Gemeinde." Für manch einen war das auch zu lang. Anke Mörsch: "Der Pfarrer hatte über meinen Spruch gepredigt (Matthäus 6, 33). Zwischendurch bin ich entspannt weggenickt. Den Kern der Botschaft habe ich aber mitbekommen und nach dem Gottesdienst zusammengefasst und bis heute nicht vergessen. Kirchengemeinde war für mich grundsätzlich ein Zuhause. Deswegen sehe ich das mit dem Schläfchen positiv."
Unangenehme Prüfung
Eher unangenehm war für die Meisten aber die "Konfirmandenprüfung". Judith Frentrup: "Die Frage 1 des Katechismus mussten wir können, hatten sie aber nie gelernt. Unterleibsschmerzen beim Einsegnen und der Tod von Rennfahrer Senna überschatteten das Ereignis außerdem." Silke Schmidt: "Ich war so aufgeregt, dass ich die Prüfung versemmelt habe, weil es das erste Mal war, dass ich vor vielen Leuten was vortragen musste. Das Abendmahl mit den Familien vorher und die Konfirmation waren aber toll. Ich erinnere mich daran, als ob es gestern war und jedes Mal, wenn ich die Fotos anschaue, denke ich an die Menschen, die nicht mehr mit mir meine silberne Konfirmation nächstes Jahr feiern können." Besser erging es da Ulrike Bischoff: "Eine tolle Erinnerung ist die Konfirmandenprüfung. Wir durften statt einer Befragung einen Gottesdienst eigenständig gestalten."
Aber nicht nur "Prüfungen" können für unangenehme Situationen sorgen, auch besondere Gestaltungselemente im Konfirmationsgottesdienst, wie Anouk Duddey zu berichten weiß: "Irgendwann sangen wir das Lied "Wir spinnen ein Netz". Dabei warfen wir uns, kreuz und quer, ein Wollknäuel zu (Religionspädagogik!), so dass ein netzartiges Gebilde entstehen sollte. Zumindest war das der Plan. Natürlich fing nicht jeder das Wollknäuel und das Ding kullerte diverse Male durch die Gegend und unter die ersten Bänke. So krochen zwangsbeanzugte Milchbärtige zwecks rascher Wiederbeschaffung flugs hinterher, während die seriös aufgebrezelte Weiblichkeit nahezu meisterhaft mit den Augen rollte. Das sollte aber noch nicht die letzte Panne gewesen sein… Wir sollten das ...ähm… "Netz" vor dem Altar auf dem Boden drapieren. Anschließend war Abendmahl für die Gottesdienstbesucher und es kam wie es kommen musste: Eine alte Dame kürzte schlurfenden Schrittes den Rückweg, nein, eigentlich durch das Netz ab, verfing sich in selbigem und schleifte das Ganze, dezent aber hörbar schimpfend, durch den Mittelgang. Da gerieten durch Billigkerzen wachsbekleckerte Edelkleidung und abfackelnde Papiermanschetten zu einem nichtigen Nebenkriegsschauplatz!"
Ein Missgeschick aus Wolle
Auf der anderen Seite können auch gerade solche Gestaltungselemente für ganz besonders schöne Erinnerungen sorgen, so wie bei Nicole Kitzmann: "Konfirmation am 1.4.2001: Ich erinnere mich noch gut, dass damals erstmal alle dachten, das wäre ein April-Scherz. Und dann erinnere ich mich noch daran, dass der Diakon, der mich konfirmiert hat (ich war in einem Vakanz-Jahrgang) mit einer Schubkarre voll Sand in den Kirchenraum kam, aus der er uns später kleine Schatztruhen ausgrub, als Erinnerung an diesen Tag. Und er hat nur für uns Konfis a-capella gesungen - und er konnte so gut singen!"
Nicht selten ist es natürlich, wie in diesem Fall, die Person, die konfirmiert hat, die die Erinnerungen prägt. Also in der Regel der Pfarrer oder die Pfarrerin. So wie zum Beispiel bei Hannelore Leifeld: "Wir waren die ersten Konfirmanden unseres neuen jungen Pastors auf seiner ersten Pfarrstelle. Wir, Geburtsjahrgang 1945, waren nicht so viele und saßen am Konfirmationstag im Altarraum! Ich habe ihn verehrt und er hat mich unglaublich geprägt. Als Konfirmationsspruch bekam ich von ihm den Siegelspruch unserer Kirchengemeinde, Römer 1,16: "Ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben." Dieser Spruch hat mich im Glauben stark gemacht und ich bin auch seit meiner Konfirmation ehrenamtlich in meiner Kirchengemeinde tätig. Ich hatte zu meinem Konfirmator Kontakt bis zu seinem Tod." Oder Carola Vonhof-Stolz: "Meine Konfirmandenzeit war toll: Eine sehr engagierte Pfarrerin, die uns Raum gelassen hat für unsere Fragen. Wir konnten alle Glaubensfragen besprechen. Und die Konfirmation war auch sehr schön. Ich fühlte mich so aufgehoben und habe so viel Tolles erlebt. An die Konfirmationspredigt erinnere ich mich sehr gern." Auch Christina Dahmen erinnert sich gern zurück: "Wir Konfirmanden aus Hessen-Nassau waren zur Konfi-Freizeit 1974 über Ostern für vierzehn Tage in einem Tiroler Bauernhaus. Die gemeinsame Zeit mit unserem Pfarrer Valentin K. in den Bergen wird für immer unvergesslich bleiben."
Leider erging es nicht allen so. Christian Beste: "Ich habe keine guten Erinnerungen. Der Pastor konnte überhaupt nicht mit uns Jugendlichen umgehen. Es ging nur darum, irgendwas auswendig zu lernen, die Inhalte wurden nicht erklärt. Es war keine gute Zeit. Das, was mich oben hielt in der Zeit, war der Gedanke an das Geld. Leider gab es auch keine Jugendarbeit, so dass Jesus irgendwann ganz weit weg war. Gute 15 Jahre später habe ich aber wieder zu Jesus gefunden. Oder er zu mir." Martin Gurgel-Fardun beschreibt auch eher bündig: "Meine Konfirmation war 1980, in der DDR. Verschulter Konfirmationsunterricht mit Stichworten und Zeichnungen an der Kreidetafel. Pfarrer der alten Schule eben. Konfirmation habe ich als einen gottgeführten Schritt für mich empfunden." Peg Grans hingegen war ihr Pfarrer zu locker: "Ich wurde 1976 konfirmiert, von einem Pfarrer, der seine 'Berufung' so erklärte: "Ich hätte Bäcker werden können, aber dann hätte ich früh aufstehen müssen. Ich hätte Schlachter werden können, aber das schwere Tragen missfiel mir. Deshalb wurde ich Pfarrer." Was ich im Konfiunterricht lernte, war: Das Vater Unser, das Glaubensbekenntnis, zwei Lieder ("Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen" und "Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt") und einen Vers: Johannes 14,6. Wen wundert's, dass die Hälfte der Gruppe den als Konfi-Spruch hatte. Was ich aber wirklich lernte, war: Eine Menge Gruppenspiele, Kickern und das richtige Beschleunigen an der Carrerabahn. Denn so eine stand im Konfiraum. Ich hungerte von Dienstag zu Dienstag danach, endlich das vermittelt zu bekommen, was ich aus anderen Konfigruppen hörte (wobei ich wohl die Einzige war, die so empfand: Für die anderen war dieser Pfarrer einfach nur cool).
Und manchmal bleibt auch einfach Ratlosigkeit – aber nicht ohne Einfluss auf das heutige Handeln. So wie bei Martin Granse, der heute selbst Pfarrer ist: "Meine Konfirmation war 1975, unser Pfarrer geboren 1913. Seine Schlussbemerkung zu den zehn Geboten: "Gott ist kein Kommunist, denn er schützt das Eigentum." Meine Gedanken damals lassen sich in heutiger Jugendsprache treffend wiedergeben: "Und ich so: WTF?" Warum er das gesagt hat, ist mir erst Jahrzehnte später in vollem Umfang klar geworden. Ich frage mich gelegentlich, welche Weisheiten ich meinen Konfis heute serviere, ohne dass sie den Hauch einer Chance haben, das einzuordnen."