Die beteiligten Kunden verhielten sich, als hätten sie ein "Menschenrecht auf Habgier", sagte der Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Sie reden nach wie vor von Verantwortung, aber das sind völlig hohle Phrasen."
Die Anlagen seien eine Folge von weltweit zunehmenden wirtschaftlichen Unsicherheiten aber auch der Angst vor Terrorismus, sagte Wegner. "Die Menschen haben das Gefühl, dass es keinen sicheren Ort mehr gibt, und wollen dann zumindest ihren Reichtum sichern."
Verwicklung der Kirchen hält Wegner für unwahrscheinlich
Das Aufdecken der Geldgeschäfte werde zu einem enormen Glaubwürdigkeitsverlust in das System der Marktwirtschaft führen, mahnte Wegner. "Bisher sind die Menschen davon ausgegangen, dass der Kapitalismus sich bändigen lässt und die Menschen an der Spitze verantwortlich mit Macht umgehen." Die Enthüllungen zeigten hingegen, dass in vielen Gesellschaften das Recht auf Gier höher bewertet werde als das Recht auf Lebensunterhalt.
Dies sei allerdings kein neues gesellschaftliches Phänomen, betonte Wegner. Seit etwa 20 Jahren habe sich der Neoliberalismus mit Werbesprüchen wie "Geiz ist geil" durchgesetzt. Die einstigen Todsünden wie Gier und Geiz würden mittlerweile positiv bewertet. Egoismus sei zu einer Tugend geworden. "Diese Entwicklung ist sehr tief in der Gesellschaft verankert und nur schwer wieder zu ändern."
Zukünftig müsse der Staat den Finanzsektor noch stärker kontrollieren, forderte Wegner. "Die Regulierung der Banken muss deutlicher greifen als bisher." Sehr viel genauer müssten einzelne Produkte der Geldwirtschaft überprüft und genehmigungspflichtig werden.
Dass die Kirchen in diese Anlagegeschäfte verwickelt seien, halte er für unwahrscheinlich, ergänzte Wegner. Viele Kirchen hätten sehr strikte Anlageregeln. Zudem fordere die Kirche schon seit Jahren eine Trockenlegung der Steueroasen.
Das "Panama-Papers"-Projekt der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) gilt als bisher größte grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Enthüllungsjournalisten. Dem Münchner Blatt waren die geleakten 11,5 Millionen Dokumente über Briefkastenfirmen in dem mittelamerikanischen Staat als erste angeboten worden. In den Dokumenten tauchen die Namen von Unternehmern, Politikern, Sportlern, Waffenhändlern, Spionen und Betrügern auf - darunter Vertraute des russischen Präsidenten Wladimir Putin oder der isländische Premierminister Sigmundur Gunnlaugsson.