Berlin (epd) In dem am Dienstag in Berlin vorgestellten Papier fordert er mehr Personal für die Pflege, eine bessere Kommunikation mit Patienten und Änderungen im Vergütungssystem, die das Bemühen um das Patientenwohl auch belohnen. Die Krankenhausversorgung in Deutschland sei auf einem hohen Niveau, sagte die Ethikratsvorsitzende Christiane Woopen am Dienstag in Berlin. "Gleichwohl knirscht es", ergänzte sie.
Vorzeitige Entlassung von Patienten
Durch die Fokussierung auf Ausgabenverringerung bei den Krankenkassen und Ertragssteigerungen bei den Kliniken seien Effekte entstanden, die im Hinblick auf das Patientenwohl "Anlass zur Sorge geben", heißt es in der Stellungnahme. Als Beispiele nennt sie die Konzentration auf besonders gewinnbringende Behandlungsverfahren zu Lasten anderer notwendiger Angebote und "mittlerweile problematische Arbeitsbedingungen" für das Krankenhauspersonal.
Durch den ökonomischen Druck des Krankenhausabrechnungsverfahrens DRG (Diagnosis Related Groups) würden Handlungen nahegelegt, die von Ärzten und anderen Berufsgruppen in Kliniken als "ethisch problematisch" empfunden würden, erklärte der Medizinethiker Thomas Heinemann, der die Arbeitsgruppe des Ethikrats zu diesem Thema leitete. Er verwies auf vorzeitige Entlassungen von Patienten oder den sogenannten Drehtüreffekt, bei dem gerade entlassene Patienten unter anderer Diagnose sofort wieder neu aufgenommen werden.
Der Psychologe Michael Wunder beklagte mangelnde Kommunikation mit Patienten. "Es geht um einen Faktor, der heute im Krankenhaus Mangelware ist: Zeit", sagte er. Trotz grundsätzlicher Kritik am Finanzierungssystem der Krankenhäuser, die nach Einschätzung des Ethikrats unter zunehmenden Kostendruck und auch Konkurrenz untereinander stehen, schlägt das Gremium aber keine grundlegende Reform des Systems vor. Das DRG-System sei lernfähig, sagte Wunder. Der Ethikrat schlägt in seiner Stellungnahme vor, den Aufwand für Beratung und Gespräche mit Patienten im DRG-System zu berücksichtigen. Für den Nachweis regt er eine Dokumentation an.
Zudem fordert das Gremium eine stärkere Berücksichtigung von Patientengruppen mit speziellen Bedürfnissen, darunter Demente und Behinderte. "Menschen mit Behinderungen werden im Krankenhaus nur ungern behandelt und leider auch unzureichend", sagte Wunder. So würden nur Behinderte persönliche Assistenten mitbringen dürfen, die sie auch sonst im Alltag als Unterstützung haben. Andere Menschen mit Behinderungen, die in Heimen leben, "gehen unter", kritisierte er.
Keine ausschließlich ökonomische Sichtweise
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erklärte, der Ethikrat lege an der Stelle einen Finger in die Wunde. Auch die Versorgung von multimorbiden und dementen Patienten sei unzureichend, sagte Vorstand Eugen Brysch.
Im Bereich der Pflege fordert der Ethikrat Personalschlüssel, die sich an der Zahl von Patienten und deren Pflegebedarf orientieren. Das Bundesgesundheitsministerium sieht dies bereits durch das Krankenhausstrukturgesetz, das zusätzliches Pflegepersonal vorsieht, auf einem guten Weg. Es werde dennoch zu prüfen sein, wie die vom Ethikrat ausgeworfenen Fragen angegangen werden können, sagte eine Sprecherin. Nach ihren Angaben will das Ministerium in einem breit angelegten Fachgespräch das Verhältnis von Ethik und Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus in den Blick nehmen.
Einer kostenschonenden Arbeit in Krankenhäusern widerspricht auch der Ethikrat grundsätzlich nicht. Effizienzsteigerung sei ethisch geboten, sagte Woopen. Eine nur ökonomische Sichtweise sei aber fehl am Platz, spätestens wenn sie sich gegen das Wohl des Patienten richtet, ergänzte sie. Für die Ethikratsvorsitzende war es die letzte Vorstellung einer Stellungnahme des Ethikrats. Die Amtszeit des Gremiums läuft demnächst aus, rund die Hälfte der Mitglieder wird ausscheiden. Dem Ethikrat gehören Mediziner, Juristen, Naturwissenschaftler, Philosophen und Theologen an, die die Politik bei ethisch umstrittenen Fragen beraten.