Duisburg (epd) Einen Strafprozess zur Duisburger Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten im Sommer 2010 wird es vorerst nicht geben. Die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Duisburg hat die Anklage der Staatsanwaltschaft nicht zugelassen, wie das Gericht am Dienstag mitteilte (AZ: 35 KLs 5/14). Das zentrale Beweismittel, das Gutachten des britischen Panikforschers Keith Still, sei nicht verwertbar. Die Staatsanwaltschaft hatte vier Mitarbeitern der Veranstalterfirma Lopavent und sechs Bediensteten der Stadt Duisburg unter anderem fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen.
Das Landgericht Duisburg moniert in seinem 460 Seiten starken Beschluss "gravierende inhaltliche und methodische Mängel" des Gutachtens und äußert Zweifel an der Unparteilichkeit von Still. Die Einholung eines neuen Gutachtens sei im Zwischenverfahren gesetzlich verboten, hieß es. Andere tragfähige Beweismittel liegen den Angaben nach nicht vor.
Gericht: Inhaltliche Widersprüche im Gutachten
Das Gericht bezweifelt auch die Annahme der Anklage, dass wegen Planungs- und Genehmigungsfehlern die Massenpanik bei dem Technofestival im Jahr 2010 zum Zeitpunkt zwischen 15.30 und 16.02 Uhr nicht mehr zu verhindern war. Das lasse sich durch das Gutachten nicht begründen, hieß es. Nach Ansicht der Richter kommen als Ursachen auch spätere Maßnahmen wie Polizeiketten oder die unterlassene Schließung der Zugangssysteme infrage.
An dem Gutachten bemängeln die Richter unter anderem, dass Still sich bei den Unglücksursachen lediglich auf örtliche Begebenheiten beschränke und andere mögliche Ursachen nicht berücksichtige. Das Gutachten enthalte inhaltliche Widersprüche und berufe sich auf nicht schlüssig begründete Zahlen. Der Brite habe zudem deutsche Normen der Veranstaltungsplanung nicht berücksichtigt und deutsche Rechtsbegriffe falsch verwendet, hieß es. Außerdem habe er die Unterlagen für das Gutachten mangels deutscher Sprachkenntnisse nie selbst komplett gesichtet.
Nach Ansicht des Gerichts besteht zudem die Besorgnis, dass Still befangen ist. So habe er sich in öffentlichen Vorträgen unsachlich zur Loveparade-Katastrophe geäußert. Er habe sich auch selbst nicht als unabhängigen Gutachter betrachtet, sondern als von einem Sicherheitsunternehmen und einer englischen Universität beauftragt.
Massenpanik in einem Tunnel
Staatsanwaltschaft und Nebenkläger können gegen die Entscheidung binnen einer Woche Beschwerde einlegen, über die das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden muss. Der Anwalt Julius Reiter, der Hinterbliebene vertritt, nannte die Entscheidung in der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Mittwochsausgabe) eine "Bankrotterklärung" und kündigte an, Rechtsmittel zu prüfen.
Am 24. Juli 2010 waren bei der Loveparade in Duisburg 21 Menschen bei einer Massenpanik im Tunnel eines ehemaligen Güterbahnhofes ums Leben gekommen, mehr als 500 wurden verletzt.