Herbert Grönemeyer im April 2015 im Berliner Ensemble in Berlin
Foto: dpa/Maurizio Gambarini
Herbert Grönemeyer im April 2015 im Berliner Ensemble in Berlin
"Weil er hofft und liebt"
Hits wie "Männer" und der Film "Das Boot" brachten Herbert Grönemeyer schon früh Erfolg. Dann starben innerhalb einer Woche sein Bruder und seine Frau. Das Album "Mensch" war Trost spendende Trauerarbeit - mit ihm kämpfte er sich wieder nach oben.
12.04.2016
epd
Holger Spierig

Egal, ob er lange in London gelebt hat oder inzwischen nach Berlin gezogen ist - Herbert Grönemeyer ist die musikalische Ikone des Ruhrpotts. Das erste Erfolgsalbum aus dem Jahr 1984 trug als Titel die Postleitzahl: "4630 Bochum". Zur Eröffnung des Europäischen Kulturstadtjahres Ruhr 2010 begeisterte der Musiker mit dem eigens zu dem Anlass komponierten Song "Komm zur Ruhr". Am 12. April wird der Sänger, Musiker und Schauspieler 60 Jahre alt.

Mit mehr als 13 Millionen in Deutschland verkauften Alben gilt Grönemeyer als einer der erfolgreichsten Musiker im deutschsprachigen Raum. Zehnmal wurde er mit dem Musikpreis Echo ausgezeichnet. Und als im Jahr 2007 die ZDF-Sendung "Unsere Besten" den besten Musiker aller Zeiten suchte, wählten ihn die Zuschauer auf Platz eins.

"Blasser Gröl-Flummi aus dem Pott"

In Bochum wuchs Herbert Grönemeyer auf, geboren wurde er am 12. April 1956 als Herbert Arthur Wiglev Clamor Grönemeyer in Göttingen. Sein Vater, der laut Grönemeyer "am liebsten Pfarrer geworden wäre", war Bergwerksdirektor. Einer seiner beiden älteren Brüder ist der Mediziner und Autor Dietrich Grönemeyer. Er selbst sei in der Kindheit "ein relativ strikter Kirchgänger" gewesen, sagte der protestantisch aufgewachsene Musiker einmal dem Musikmagazin "Rolling Stone".

Am Bochumer Schauspielhaus wurde Herbert Grönemeyer zunächst musikalischer Leiter. Dort spielte er auch erste Bühnenrollen, obwohl er nie eine Schauspielschule besucht hat. Bevor er als Musiker bekannt wurde, hatte er sich bereits einen Ruf als Schauspieler erarbeitet: in Wolfgang Petersens "Das Boot" (1981) und ein Jahr darauf an der Seite Natassja Kinskis als junger Robert Schumann in dem Kinofilm "Frühlingssinfonie".



Der Start der Musikkarriere verlief hingegen zunächst katastrophal: Konzerte mussten mangels Publikum abgesagt werden, die damalige Plattenfirma kündigte ihm wegen schlechter Verkaufszahlen. Mit seinen Stücken "Männer", "Bochum" und "Flugzeuge im Bauch" schoss er dann aber Mitte der 80er Jahre aus dem Stand in die Oberliga des deutschen Pop.

Trotz des Erfolgs - geliebt wurde er lange Zeit nicht wirklich. "Der blasse Gröl-Flummi aus dem Pott" nannte ihn einmal der "Tagesspiegel". Die Wochenzeitung "Die Zeit" verglich eins seiner späteren Alben mit einer Ansprache des Bundespräsidenten - Grönemeyer engagiert sich gegen Armut, Rassismus und Atomkraft.

Im Jahr 1998 erlebt Grönemeyer einen tiefen Einschnitt: Erst stirbt sein Bruder Wilhelm an Leukämie. Herbert hatte zuvor für ihn Knochenmarkszellen gespendet. Noch in der selben Woche unterliegt Grönemeyers Ehefrau Anna Henkel in ihrem Kampf gegen den Brustkrebs. Der Künstler fällt in ein tiefes Loch. "Eine solche Katastrophe prägt einen", erzählte er später in der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Mehr als ein Jahr lang habe er gebraucht, um überhaupt wieder künstlerisch aktiv zu werden.

Tournee mit Gottes Segen

Herbert Grö?nemeyer singt und tanzt zum Auftakt seiner Tour "Dauernd Jetzt".

"Und der Mensch heißt Mensch, weil er irrt und weil er kämpft, und weil er hofft und liebt, weil er mitfühlt und vergibt": Als sich Grönemeyer im Jahr 2002 mit dem Stück "Mensch" und gleichnamiger CD zurückmeldet, trifft der Mix aus einfachen Worten, philosophischem Tiefgang und einem modernen Sound viele ins Herz: Die Songs, mit denen er seine Verluste verarbeitet, werden mit Platin ausgezeichnet. Das Album, elf Wochen lang Platz eins der deutschen Album-Charts, ist in Deutschland mit 3,7 Millionen das meistverkaufte der Musikgeschichte.

Der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, wünschte dem Sänger in einem persönlichen Brief Gottes Segen für seine anstehende Tournee. "Ein Bundesverdienstkreuz ist nichts dagegen", schrieb der "Spiegel": "Herbert Grönemeyer darf seine aktuelle Tournee mit Gottes Segen begehen." Der Grönemeyer-Song ist auch auf der EKD-Synode zu hören, die im Jahr 2002 unter dem Motto "Was ist der Mensch?" in Timmendorfer Strand tagt.

Glücklich verliebt in einer neuen Beziehung

Den 30. Geburtstag seines ersten Erfolgsalbums "4630 Bochum" feierte er im vergangenen Jahr vor einer begeisterten Menge im Bochumer Stadion. Auch mit seinem jüngsten Album "Dauernd jetzt" spielt Grönemeyer auf ausverkauften Konzerten. Neuland betrat er, als er 2012 ein Album in englischer Sprache, "I Walk", präsentierte und den Soundtrack zu Anton Corbijins Kinofilm "A Most Wanted Man" (2014) komponierte.

Auch politisch setzt Grönemeyer Zeichen: Im vergangenen Jahr trat er vor der Frauenkirche in Dresden beim Festival "Offen und bunt" auf, dem bewussten Gegenakzent zu den fremdenfeindlichen "Pegida"-Demonstrationen.

Inzwischen seien die beiden Kinder groß, und er selbst lebe wieder glücklich verliebt in einer neuen Beziehung mit seiner Freundin Josha, sagte Grönemeyer jüngst in mehreren Interviews. "Das Leben hat sich entkrampft und ist wieder unter meine Füße geschoben", berichtet er kurz vor seinem 60. Geburtstag: "Von da aus kann man wunderbar losstarten."