Notfallseelsorger: Trauer passt in keinen Zeitplan
Zum Jahrestag eines schweren Unglücks ist nach Erfahrung des Notfallseelsorgers Uwe Rieske das Bedürfnis nach Trauer und Gedenken besonders stark.
24.03.2016
epd
Sylvia Gräber (epd-Gespräch)

Bonn, Düsseldorf (epd) Vor allem ein Jahr danach breche der Schmerz über den Verlust bei vielen nochmals vehement auf, sagte der rheinische Landespfarrer für Notfallseelsorge dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Bonn mit Blick auf den ersten Jahrestag des Germanwings-Absturzes am 24. März. "Gedenkrituale, Andachten und Gottesdienste können helfen, die Trauerwege nach einem Verlust zu begünstigen."

Neues Leid

Trauer passe sich keiner Zeitvorgabe an, betonte Rieske. Kürzlich habe ihm eine Angehörige erzählt, dass alle um sie herum erwarteten, dass sie nun wieder normal funktioniere. Aber sie könne das nicht. "Das Verstehen, Mittragen und Aushalten länger andauernder Trauerphasen fällt schwer", sagte der Theologe. Die Forderung nach Normalität sei zwar oft gut gemeint, erzeuge jedoch häufig Druck und neues Leid. "Unsere Erfahrung ist, dass gelebte Trauer das Leben letztlich doch sehr viel reicher macht", sagte Rieske.

Die Notfallseelsorge hilft den Angehörigen von Unglücksopfern nach seinen Worten hauptsächlich, die ersten Stunden nach dem Unglück durchzustehen. Über diese Akut-Hilfe hinaus sei aber auch eine längerfristige Betreuung möglich. Sie unterscheide sich von einer Psychotherapie, weil sie keine Diagnose stelle und keine Behandlungsziele abstecke. Stattdessen konzentriere sich die Seelsorge auf Begleitung, Zuwendung und Zuhören. "Wir möchten Trauernde dabei unterstützen, die eigenen Kräfte und Wünsche anders und neu zu entdecken und den Verlust in eine neue, andere Normalität in ihrem Leben zu integrieren", sagte der Theologe.

Unterschiedlich trauern

Zugleich betonte er, dass Menschen sehr unterschiedlich trauern: Für manche sei es wichtig, den Unglückshergang genau zu analysieren, Schuldige zu finden oder dazu beizutragen, dass solche Ereignisse in Zukunft verhindert werden. Andere fänden das unerheblich, weil es ihren Schmerz nicht mildere. Vielen helfe der Kontakt zu anderen Hinterbliebenen, anderen tue Rückzug gut.

Beim Absturz der Germanwings-Maschine auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen am 24. März 2015 kamen alle 150 Insassen ums Leben. Der Co-Pilot der Maschine litt offenbar an einer Depression und führte den Absturz absichtlich herbei.