Foto: Daria Hristova
7 Wochen Ohne, Woche 7: "Gottes großes Herz"
7. Woche: Gottes großes Herz (1. Joh 3,16–20)
Die Fastenzeit läuft - und damit auch die evangelische Fastenaktion "7 Wochen Ohne". Das Motto lautet dieses Jahr: "Großes Herz! Sieben Wochen ohne Enge". Damit das Herz weit werden kann, schlägt Pastor Frank Muchlinsky für jede Woche eine Übung vor.

(1. Joh 3,16–20)

Daran haben wir die Liebe erkannt, dass er sein Leben für uns gelassen hat; und wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen. Wenn aber jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt dann die Liebe Gottes in ihm? Meine Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit. Daran erkennen wir, dass wir aus der Wahrheit sind, und können unser Herz vor ihm damit zum Schweigen bringen, dass, wenn uns unser Herz verdammt, Gott größer ist als unser Herz und erkennt alle Dinge.

Liebe Fastengemeinde,

wir biegen in die Schlussgerade ein. Die Karwoche läuft bereits, und fromme Leute fragen sich, wann sie anfangen dürfen, Eier für Ostern zu färben. Das größte der christlichen Feste naht, und auch unser letzter Bibelvers ist entsprechend theologisch aufgeladen. Der Verfasser des ersten Johannesbriefes haut in die Vollen: Durch den Tod Jesu hat Gott wahre Liebe gezeigt. Für andere zu sterben, ist der ultimative Liebesbeweis. Das kann niemanden, der daran glaubt, kaltlassen. Dieser Brief fordert alle Leserinnen und Leser im wahrsten Sinne dazu auf, sich für die anderen aufzuopfern. Nicht reden, sondern handeln, und, wenn nötig, „das Leben für die Brüder lassen“, mindestens aber ein offenes Herz für die Bedürfnisse der anderen haben. Wer das tut, so sagt der Johannesbrief, kann auch das eigene Gewissen, das eigene Herz beruhigen. Allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt. Auch der Johannesbrief weiß nämlich, dass unser Gewissen uns niemals in Ruhe lassen wird. Wer tatsächlich anfängt, sich aufzuopfern, wird immer wieder vom eigenen Herzen gesagt bekommen: „Das reicht noch nicht!“ Das ist ein großes Dilemma. Einerseits sollen wir Gutes tun, weil uns so Gutes widerfahren ist. Andererseits wird das niemals ausreichen, weil unser Herz uns immer noch „verdammen“ wird. Wer erst einmal anfängt, es ernst zu meinen mit dem weiten Herz für andere, dessen Herz kann zu einem hartnäckigen Ankläger werden, sogar zu einem unbarmherzigen Richter.

Der Johannesbrief macht dieses Dilemma deutlich und bietet dann einen einzigen Ausweg: die Größe Gottes. Gott ist größer als unser Herz, heißt es am Ende unseres Textes. Das heißt, Gott vergibt, was wir uns selbst nicht vergeben können. Das ändert nichts an dem Anspruch, den wir an uns selbst stellen sollen. Der Text ist da ganz unmissverständlich: Wir sollen helfen, sollen uns für andere krumm machen. Wir sollen uns nicht einmal selbst sagen, dass wir eigentlich doch genug tun. Wir sollen es uns sagen lassen von Gott. Wir sollen gewiss sein, dass Gott uns mit noch viel liebevolleren Augen anschaut, als uns das möglich ist. Gott ist größer als unser Herz.

Darum möchte ich Sie in diesen letzten Tagen vor Karfreitag und Ostern gern noch einmal auf die Dinge hinweisen, die Sie von mir als Angebote in den letzten Wochen bekommen haben. Welche Übungen haben Sie gemacht? Welche Anregung haben Sie vertagt, weil nicht genügend Gelegenheit war, sie umzusetzen? Was erschien Ihnen zu aufwendig oder zu mühsam? Gehen Sie im Geist noch einmal die Wochen durch und überlegen Sie: Was fehlt mir noch? Was wollte ich eigentlich tun?

1. Woche: Ein Lied von der Weite singen unter der Dusche
 
2. Woche: Meine Abwehrreaktionen bemerken und sein lassen
 
3. Woche: Inventur meiner Vorräte und Einladung zum Resteessen
 
4. Woche: Eine Versöhnung herbeiführen
 
5. Woche: Eine Flüchtlingsgeschichte hören oder erzählen
 
6. Woche: Mir einen Wunsch gönnen

Und nun schauen Sie noch einmal auf andere Dinge, die Sie eigentlich haben tun wollen. Wo haben Sie sich etwas vorgenommen, das Sie nicht zu Ende gebracht haben? Haben Sie sich an einer oder mehreren Stellen engagiert oder sich vorgenommen, sich dort einzusetzen? Haben Sie vielleicht vorgehabt, in dieser Fastenzeit noch auf anderes zu verzichten als auf Enge? Ist Ihnen das gelungen? Oder hätten Sie lieber mehr getan? Wie auch immer, der Text für diese Woche sagt: Sei nicht zu schnell zufrieden mit dir. Nimm dir vor, die Nächstenliebe wirklich zu leben. Darum ist mein zweiter Vorschlag an Sie, dass Sie sich noch einmal dranmachen an etwas, mit dem Sie noch nicht einverstanden sind. Holen Sie eine der Übungen oder andere Versäumnisse nach. Gehen Sie ruhig ein wenig mit sich ins Gericht, denn auch das ist es, was unser Herz tut: Es ist nicht nur der Ort unseres Mitgefühls und unserer Liebe. Unser Herz ist auch der Ort unseres Gewissens, und es ist gut, dass wir eines haben.

Ganz entscheidend bei dieser Übung ist, dass Sie den wichtigen Satz aus dem Johannesbrief im Blick behalten: Gott ist größer als unser Herz, das uns anklagt. Machen Sie sich also nicht verrückt wegen der Dinge, die Sie versäumen oder wegen der Ansprüche, die an Sie gestellt werden. Tun Sie ruhig weiterhin, was guttut – Ihnen und anderen. Und vertrauen Sie darauf, dass Gott Ihnen das, was Sie nicht schaffen, verzeihen wird.

Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Karwoche und dann natürlich vor allem: Frohe und gesegnete Ostern! Wenn Sie mögen, schreiben Sie mir ein paar Zeilen, wie es Ihnen mit den Anregungen in diesem Jahr ergangen ist. Sieben Wochen ohne Enge. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie den Mut zur Weite behalten.

Ihr Frank Muchlinsky