Illustration: evangelisch.de/Simone Sass
Verstockt euer Herz nicht: Facebook & Co helfen bei der Trauer
Die Reaktionen in Medien und sozialen Netzwerken auf Anschläge wie in Brüssel sind vorhersehbar. Sie sind trotzdem wichtig und hilfreich - und sie zeigen: Der Terror ist nichts Besonderes mehr.

Es ist so weit: Terrorismus ist Alltag in Europa. Die Reaktionen auf die Anschläge von Brüssel zeigen, dass auch die Menschen außerhalb der Reichweite der Bomben gelernt haben, wie sich das anfühlt. Madrid, London, Oslo, Paris, Brüssel - überall in Europa sind seit den Anschlägen vom 11. September 2001 Menschen durch Bomben und Geschosse gestorben. Nicht zu vergessen die Terroranschläge in Istanbul und Ankara, bei denen allein in diesem Jahr schon 80 Menschen starben.

Die Täter waren in den meisten Fällen islamistische Extremisten, und wenn sie es nicht waren, griff ein anderer Radikaler zu den Waffen - Anders Breivik, der Massenmörder von Oslo und Utøya. Allen Attentätern gemein ist, dass sie die westliche Welt, in der wir leben, auf die eine oder andere Weise ablehnen, aus religiösen oder ideologischen Gründen.

Diese westliche Welt hat inzwischen gelernt, mit solchen Katastrophen umzugehen. Es haben sich öffentliche Medien- und Trauerroutinen gebildet, die nicht nur bei Terroranschlägen greifen. Sie helfen auch bei anderen Katastrophen mit vielen Toten, wie dem Loveparade-Unglück von 2010 oder dem Absturz des Germanwings-Flugzeugs im März 2015, bei dem 150 Menschen starben.

Die Logik hat sich inzwischen eingespielt

Es folgt immer der gleichen Logik. Die Online-Medien widmen dem Ereignis erst die Aufmacher, dann kommen die Liveblogs, dann ist die obere Hälfte der Nachrichten-Startseiten mit nichts anderem gefüllt. Am Tag danach die Titelseiten der Zeitungen, die Einschätzungen und Kommentare, Geschichten der Überlebenden und die prominenten Trauerbekundungen. Dann kommen die Sicherheitsexperten und die immerwährende Diskussion zwischen Sicherheit und Freiheit, während allmählich die Nachrichten über Ermittlungsergebnisse und eventuelle Bekennerschreiben eintreffen.

Auf Facebook und Twitter rauschen erst die Handy-Videos und Nachrichten, dann die Traerbekundungen, Gebetsaufrufe und Profilbilder durch und schlussendlich die witzigen und/oder ernsthaften Memes, mit denen Menschen auf Katastrophen reagieren und ihre Widerstandsfähigkeit demonstrieren wollen. Meistens gesammelt unter der Überschrift "So reagiert das Netz".

Die Menschen, die direkt von Tod und Trauer betroffen sind, die einen geliebten Menschen durch die Katastrophe verloren haben, brauchen andere Hilfe. Sie brauchen zuallererst echte Seelsorge, nicht mittelbare Anteilnahme durch Solidarisierung mit der Gegenseite.

"Verstocket euer Herz nicht"

Der großen Mehrheit der Zuschauer dagegen, die einen Anschlag nur über die Medien erleben, helfen diese Routinen dabei, nicht emotional überwältigt zu werden. Die Katastrophe hat ihren Platz in der medialen Normalität gefunden. Das passt zur Tageslosung für den 23. März, einen Tag nach den Angriffen in Brüssel: "Wenn ihr doch heute auf seine Stimme hören wolltet: "Verstocket euer Herz nicht" (Psalm 95,7-8).

Durch Likes, Shares und Retweets kann jeder zeigen: Ich bin nicht allein mit meiner Angst, meiner Empörung oder meiner Hoffnung. Deswegen kommt der Routine der Beileidsbekundungen auf sozialen Netzwerken trotz aller Vorhersehbarkeit eine wichtige Funktion zu. Und die vielen Reaktionen in der Öffentlichkeit und sozialen Netzwerken zeigen auch, in welcher Freiheit und Offenheit die Menschen europaweit leben und weiter leben wollen.

"Unsere Antwort wird mehr Offenheit und mehr Demokratie sein", hatte Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg vor fünf Jahren nach den Anschlägen von Oslo und Utøya gesagt: "Ihr werdet unsere Demokratie und unser Engagement für eine bessere Welt nicht zerstören." Mit verstockten Herzen geht das nicht. Auch daran erinnert der Psalm für den heutigen Tag.