Brüssel, Athen (epd) Das EU-Türkei-Abkommen schreckt Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa bislang offenbar nicht ab. Wie der Krisenstab der griechischen Regierung am Montag mitteilte, kamen seit dem Vortag 1.662 Menschen über das Mittelmeer vor allem auf den Ägäis-Inseln Lesbos und Chios an. Unterdessen liefen die Vorbereitungen der geplanten Rückführungen auf Hochtouren. "Rückführungen können von jetzt an stattfinden", verlautete am Montag aus Kreisen der EU-Kommission in Brüssel. Voraussichtlich geschehe dies das erste Mal "in den kommenden Tagen".
Experten aus ganz Europa
Die EU und die Türkei hatten sich am Freitag auf einen umfassenden Pakt verständigt. Dessen Herzstück ist die Rückführung aller Migranten, die seit vergangenem Sonntag irregulär aus der Türkei über das Meer auf die griechischen Ägäis-Inseln gekommen sind. Die Menschen sollen zwar einen Asylantrag stellen können und ein individuelles Verfahren erhalten. Es ist aber vorgesehen, dass Griechenland die Anträge in der überwiegenden Mehrzahl als unzulässig ablehnt und Flüchtlinge mit der Begründung in die Türkei zurückschickt, dass sie dort sicher sind. Bei Migranten, die etwa aus wirtschaftlichen Gründen kommen und gar keinen Asylantrag stellen, seien noch schnellere Rückführungen aus Griechenland in die Türkei möglich, wurde in Brüssel erläutert.
Für all dies werden Experten aus ganz Europa zusammengezogen. "Alle Mitgliedstaaten haben die Entsendung von Beamten zugesagt. Deutschland und Frankreich steuern jeweils 100 Asylexperten und 200 Polizeibeamte bei", erklärte die Vertretung der EU-Kommission in Berlin. In Brüssel hieß es, dass allein für die Rückführungen etwa 1.000 Beamte nötigt seien. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte die gesamte Operation am Freitag als "Herkulesaufgabe" bezeichnet. Insgesamt werden seiner Behörde zufolge 4.000 Mitarbeiter gebraucht, die außer aus Griechenland aus den übrigen EU-Staaten sowie vom Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) und von der Grenzschutzagentur Frontex kommen sollen.
Auf Lesbos stellte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR derweil den Transport von neu eingetroffenen Bootsflüchtlingen zur zentralen Registrierstelle ein, dem Moria-Hotspot. Hintergrund ist Sprecher Boris Cheshirkov zufolge die griechische Entscheidung, das Camp in ein geschlossenes Lager umzuwandeln, also in eines, welches die Flüchtlinge nicht auf eigenen Wunsch verlassen dürfen. Die EU hatte noch am Freitag bekundet, sich bei ihren Plänen mit dem UNHCR beraten zu haben.
13.000 Menschen in Idomeni
Am 4. April soll ein zweiter Teil der Umsetzung des Paktes mit der Türkei starten. Dann soll für jeden in die Türkei zurückgeführten syrischen Flüchtling ein anderer Syrer legal und direkt in die EU einreisen. Um diese Menschen zu verteilen, bereitet die EU-Kommission eine rechtliche Basis vor. Danach sollen die EU-Länder sich die Aufnahme solcher Menschen auf bereits bestehende Verpflichtungen zur Aufnahme von Flüchtlingen aus anderen EU-Ländern anrechnen lassen können.
Im provisorischen Camp in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze harrten unterdessen rund 13.000 Menschen aus. Sie gehören zu der Gruppe, die noch vor dem Stichtag am Sonntag in die EU eingereist war und deshalb nicht unter die Abmachung mit der Türkei fällt. Weil die sogenannte Balkanroute weitgehend geschlossen ist, können sie andererseits ihren geplanten Weg nach Mitteleuropa nicht fortsetzen.