Merkel: EU in Flüchtlingskrise einig über Linie gegenüber Türkei
Auf dem EU-Gipfel in Brüssel geht es um Lösungen in der Flüchtlingskrise. Die EU-Staaten haben sich geeinigt, nun stehen die Verhandlungen mit der Türkei über die geplanten Maßnahmen an. "Pro Asyl" befürchtet eine Verbiegung des Asylrechts.

Brüssel (epd) Auf dem Brüsseler Gipfel zur Flüchtlingskrise sollen die Verhandlungen nach einer Einigung der EU-Staaten untereinander nun mit der Türkei weitergehen. Es stünden am Freitag "nicht ganz einfache Verhandlungen" mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu bevor, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Ende des ersten Teils des Treffens in der Nacht.

Zunächst sollen EU-Ratspräsident Donald Tusk, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der niederländische Regierungschef Mark Rutte als amtierender EU-Ratsvorsitzender mit Davutoglu sprechen. Für den Mittag erwartete Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann Aufschluss über die Antwort der Türkei auf die Position der EU. "Ob etwas herauskommt, weiß nur ein Hellseher", sagte er in der Nacht.

Flüchtlingshelfer haben Zweifel

Im Mittelpunkt steht der Plan, zeitweilig alle irregulär aus der Türkei über das Meer nach Griechenland neu eingereisten Menschen in die Türkei zurückzubringen. So soll ihnen der Anreiz genommen werden, sich mit Schleppern auf den Weg zu machen. In Griechenland sollen zwar alle Migranten einen Asylantrag stellen dürfen. Griechenland könnte diese Anträge aber dem Plan zufolge als unzulässig ablehnen - mit der Begründung, dass die Menschen schon in der Türkei sicher seien.

Eine solche Regelung müsse auf rechtlich eindeutiger Grundlage stehen und individuelle Verfahren für alle Migranten garantieren, machte Merkel noch einmal klar. Ähnlich äußerte sich in der Nacht Frankreichs Präsident François Hollande. Damit Griechenland die Aufgabe erfüllen könne, würden ihm andere EU-Staaten beim Personal aushelfen, darunter Deutschland, versprach die Kanzlerin. Die Türkei müsse ihrerseits internationale Standards zum Flüchtlingsschutz erfüllen.

Flüchtlingshelfer hegen aber weiter Zweifel. "Im Grenzstaat Griechenland drohen nun pro forma Verfahren mit anschließender Masseninhaftierung und Massenabschiebung", erklärte Günter Burkhardt von "Pro Asyl" am Freitagmorgen. "Das Flüchtlingsrecht und die Menschenrechtskonvention werden ausgehebelt und verbogen. Griechenland wird zum Asyllager der EU, die Türkei zum Vorposten."

Rückführungen "relativ schnell"

Im Fall einer Einigung sollen die Rückführungen "nicht in vielen Wochen", sondern "relativ schnell" erfolgen, sagte Merkel. Wenige Tage darauf solle auch der andere Teil des Plans starten, nämlich die legale Einreise von Syrern aus der Türkei in die EU. Damit will die EU ihrerseits die Türkei entlasten. Dabei soll auf seit 2015 bestehende EU-Beschlüsse zur Umsiedlung zurückgegriffen werden - es würde also zunächst keine zusätzlichen Aufnahmen geben.

Davon abgesehen hat die Türkei weitere Forderungen gestellt. Sie will erreichen, dass Türken schneller als bisher geplant visafrei in die EU reisen dürfen. Ferner sollen der Beitrittsprozess zur EU beschleunigt werden und weitere drei Milliarden Euro für die Versorgung von Flüchtlingen in der Türkei fließen.

Hollande wies unterdessen darauf hin, dass auch eine Einigung mit der Türkei das Flüchtlingsproblem nicht abschließend löse. Es werde "immer wieder Wanderungen" geben, wenn die Krise in Syrien nicht ende. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass sich auch von Libyen wieder zahlreiche Menschen nach Europa aufmachten, wenn das dortige "Chaos" nicht beseitigt werde, warnte der französische Präsident in Brüssel.