Pakt im Rahmen des Völkerrechts
Berlin, Brüssel (epd) Einem Rechtsgutachten zufolge verstießen die Vereinbarungen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, erklärte Pro Asyl am Dienstag in Berlin. "Schutzsuchende dürfen nicht sehenden Auges einem Staat ausgeliefert werden, der sie nicht schützen will", sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Unterdessen sieht die Bundesregierung einen rechtlichen Rahmen für den Pakt.
Bundeswehr an europäisches Recht gebunden
Massenausweisungen von Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei seien nicht legal, sagte Burkhardt. Auch sei in der Genfer Flüchtlingskonvention sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention eine Einzelfallprüfung von Asylanträgen vorgesehen. Dies sei nicht gegeben, wenn Nato-Schiffe Flüchtlinge, die sie in griechischen Gewässern aufnähmen, pauschal in die Türkei zurück transportieren würden. Bei der Ausübung von Herrschaftsgewalt sei die Bundeswehr auch außerhalb ihres Hoheitsgebietes an europäisches Recht gebunden, betonte Burkhardt: "Das Recht auf Asyl kann man auf hoher See nicht prüfen." Daher müssten die Flüchtlinge nach Griechenland gebracht werden.
Zudem erfülle die Türkei nicht die Voraussetzungen, um zu einem sicheren Drittstaat erklärt zu werden, erklärte Burkhardt unter Berufung auf das Gutachten des Frankfurter Asylrechtsanwalts Reinhard Marx. Der "sichere Drittstaat" ist unter anderem ein Konzept im EU-Recht. Es sieht vor, dass ein EU-Staat einen Asylantrag nicht prüfen muss, wenn der Antragsteller aus einem Land eingereist ist, das bestimmte Voraussetzungen beim Flüchtlingsschutz erfüllt. Im vorliegenden Fall geht es darum, ob die Türkei als sicherer Drittstaat anerkannt wird und deshalb Griechenland die Anträge nicht prüfen müsste. Pro Asyl argumentiert, die Türkei ermögliche es Flüchtlingen nicht, einen Asylantrag zu stellen. Nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen würden Flüchtlinge zudem inhaftiert, massenhaft rückgeführt oder bereits an der Grenze abgewiesen.
Türkei hat sich verpflichtet
Am Donnerstag beginnt ein neuer EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise. Vorgesehen ist unter anderem, Bootsflüchtlinge, die in der Ägäis aufgegriffen werden oder die auf den griechischen Inseln ankommen, direkt in die Türkei zurückzubringen. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hatte laut Medienberichten vor wenigen Tagen angekündigt, alle Nicht-Syrer dann weiter in ihrer Heimatländer zu schicken.
Die Bundesregierung sieht unterdessen einen rechtlichen Rahmen für den Pakt. Der Plan, dass die Türkei alle irregulären Migranten zurücknehme, müsse mit dem europäischen Recht, der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Völkerrecht in Einklang stehen, sagte Staatsminister Michael Roth am Dienstag in Brüssel. Dies halte er für möglich, sagte er vor einem Ministertreffen, das den Gipfel vorbereiten sollte. Roth bezog sich ausdrücklich auf das Gebot der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement) aus der Genfer Flüchtlingskonvention: "Das Non-Refoulement-Prinzip gilt, und dazu hat sich auch die Türkei im nationalen Recht verpflichtet. Im Übrigen gilt auch die Europäische Menschenrechtskonvention, die das genauso vorsieht. Also ich sehe hier keine rechtlichen Probleme."