Politologe Schroeder: Viele Ostler sind nicht in Demokratie angekommen
Ursache für den großen Wahlerfolg der AfD in Sachsen-Anhalt ist nach Ansicht des Leiters des SED-Forschungsverbundes, Klaus Schroeder, der anhaltende Minderwertigkeitskomplex vieler Ostdeutscher.
15.03.2016
epd
Markus Geiler (epd-Gespräch)

Berlin, Magdeburg (epd) Viele Ostdeutsche fühlten sich zum Teil nach wie vor vom Westen dominiert und seien auch 26 Jahre nach Mauerfall nicht in der Demokratie angekommen, sagte Klaus Schroeder, Politikwissenschaftsprofessor von der Freien Universität (FU) Berlin, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Meinung "wir werden vom Westen unterdrückt oder ausgehalten" sei immer noch weit verbreitet und münde in der Erkenntnis: "Der Westen hat uns sein System aufgedrückt, wir wollten aber eigentlich nur das Geld und die Reisefreiheit."

Und dann komme die AfD und schaffe ein neues Selbstbewusstsein gegen die Etablierten, gegen den Westen, sagte Schroeder. Sätze wie "wir sind die neue Volkspartei" seien gleichbedeutend mit "wir zeigen es denen, wir sind wieder wer", so Schroeder. Das ziehe natürlich.

Sehnsucht nach schnellen Antworten

Die AfD bestehe mitnichten nur aus Faschisten und Rassisten, aber sie biete einfache Parolen, von denen sich viele Ostdeutsche einfangen lassen würden, weil sie eine Sehnsucht nach schnellen Antworten haben. "Viele Ostler sind nicht in der Demokratie angekommen, wo man auch mal kompliziert um die Ecke denken muss, wo eben nicht alles von heute auf morgen geht." Kritik an der Politik der Bundeskanzlerin sei ja durchaus berechtigt und müsse geäußert werden, aber so einfach wie die AfD es ihren Anhängern sagt, so einfach sei das Leben eben nicht, sagte der Politikwissenschaftler.

Dass dabei viele einstige Linkspartei-Wähler zur AfD gewechselt sind, überrasche ihn nicht. Auch die Linkspartei schüre schon immer Sozialneid und polemisiere gegen den Westen und "die da oben". "Das hat sich jetzt bloß eine andere Quelle gesucht, die noch ein bisschen frischer, frecher und provokativer ist", sagte Schroeder. Dazu komme, das die Linkspartei im Osten schon etabliert ist. Sie werde zwar noch von den Linkspopulisten gewählt, aber die AfD sei als Protestpartei derzeit frischer und anregender.

Sorge bereite ihm, dass praktisch jede zweite der in Sachsen-Anhalt abgegebenen Stimmen an eine extremistische oder populistische Partei gegangen sei, sagte der Wissenschaftler. Dazu zähle er neben AfD, NPD und anderen obskuranten Extremisten auch die Linkspartei. "Das heißt, jeder zweite in Sachsen-Anhalt stellt sich quer zu den etablierten Parteien. Das ist schon ein Alarmzeichen", so Schroeder.