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Damit die Hochzeitsmusik in der Kirche gut klingt
Im Orgelkonzert für Brautpaare stellen Bremer Kirchenmusiker Werke für den Trauungsgottesdienst vor
Kirchliche Trauungen liegen im Trend. Damit die Auswahl der Hochzeitsmusik nicht zum Desaster wird, bietet die Bremische Evangelische Kirche (BEK) regelmäßig "Orgelkonzerte für Brautpaare" an. Kirchenmusiker aus unterschiedlichen Gemeinden schlagen eine Auswahl von Liedern aus mehreren Epochen vor.

Der junge Mann schaut zur Decke. Er scheint tief beeindruckt zu sein. Oder er war schon lange nicht mehr im Bremer St. Petri-Dom. Und schon gar nicht auf einem der Plätze vor dem Hochaltar. Während sich der junge Mann von den Decken- und Wandgemälden gefangen nehmen lässt, studiert die junge Frau neben ihm den Zettel, den sie und die anderen Besucher am Eingang bekommen haben. Auf der anderen Seite des Ganges macht sich eine etwas ältere Frau eifrig Notizen. "Wir sind nur Abgesandte", erklärt die Frau lachend, "wir müssen unserer Tochter berichten." Sie müsse arbeiten und könne deshalb nicht kommen. Also sind Mama und Papa an diesem Sonnabendnachmittag umso aufmerksamer.

Sie hören Christian Faerber zu. Er und seine beiden Kollegen Ricarda Ochs und Domorganist Stephan Leuthold spielen Orgelmusik für Brautpaare. Es ist bereits das fünfte oder sechste Mal, dass sie zusammen mit Katharina Kissling, Berufsgruppenbeauftragte der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) für Kirchenmusik und den didaktisch-pädagogischen Bereich, zu diesem speziellen Konzert zur besten Einkaufszeit eingeladen haben. Die genaue Anzahl kennen weder Kissling noch Faerber.

Das Interesse daran jedenfalls ist groß. Gut 80 Besucher haben im Bereich des Hochaltars des St. Petri-Doms Platz genommen. Sie werden innerhalb der kommenden Stunde von der Wegscheider- zur Bach- und zur großen Sauer-Orgel wandern. Es gibt Kompositionen von Robert W. Jones, Michael Schütz, Alfred Hollins, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Johann Sebastian Bach, Theodore Dubois und Charles Marie Widor. Und singen werden die Bremer: "Wo ein Mensch vertrauen gibt", "Lobet und preiset ihr Völker den Herrn" und "Nun danket alle Gott".

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Der Grund für dieses nicht alltägliche Angebot: Die Kirchenmusiker möchten den künftigen Brautpaaren einen kleinen Einblick darüber verschaffen, wie groß das Angebot an Musik für den schönsten Tag des Lebens ist. Stimme die Auswahl nämlich nicht, könne der Gottesdienst schnell zu einem Desaster größten Ausmaßes für Paar und Gäste werden, sind sich Gäste und Organisatoren einig. "Die meisten Paare kümmern sich um alles selbst: vom Gedeck bis zur Musik", sagt Faerber. Er ist im kirchlichen Alltag Musiker der Martin-Luther-Gemeinde Bremen-Findorff.

Faerber kann im wahrsten Sinne des Wortes ein Lied von seltsamen Wünschen der Brautpaare singen. "Die Leute machen sich im Internet schlau und möchten die Titelmusik aus dem Film ,Titanic' hören", berichtet er seinen verschmitzt lachenden Zuhörern bei der Einführung. Später erinnert er sich an einen Bräutigam, der mit der Hymne der Fußball-Champions League um die Ecke kam.

Wie die Orgel auch ohne Surround-Sound gut klingt

Gerade bei Filmmusik seien die Brautpaare enttäuscht. "Sie haben den Surround-Sound des Kinos im Ohr", sagt Faerber. Das könne eine Orgel natürlich nicht leisten, egal wie groß und wuchtig sie gebaut ist. "Suchen sie bitte immer den Kontakt zu den betroffenen Kollegen, wenn sie Wünsche haben", bittet der Musiker die künftigen Ehepaare. So hält es auch Kissling. Sie sitzt neben ihrer Tätigkeit für die BEK in der Gemeinde Bremen-Borgfeld an der Orgel. Dort macht sie mit den Paaren einen Termin aus. Auf dem Programm: eine Auswahl der Komponisten, der Klang des Instruments und ein Überblick über Kisslings Programm. "Wir sind der Überzeugung, dass die Stücke am besten auf der Orgel klingen, die dafür komponiert worden sind", spricht Kissling ihren Kollegen aus dem Herzen.

Erste Anregungen bekommen die Besucher an diesem Nachmittag. An der Wegscheider-Orgel intoniert Ricarda Ochs Jones und Schutz. Da klingen Hollins, Mendelssohn-Bartholdy und Bach ganz anders. Die Meister spielt Faerber auf der Bachorgel. Spätestens jetzt haben er und seine Kollegen die Besucher für die geistliche Musik eingenommen. Und wer bis hier zweifelt, der ist spätestens dann umgestimmt, wenn Leuthold an der großen Sauer-Orgel den 1. Satz aus der 4. Sonate B-Dur opus 65/4 anstimmt. Dubois und Widor beschließen das Konzert, dem die Besucher andächtig zuhören. Kissling, Faerber und Leuthold haben ihr Ziel erreicht, die Paare und ihre Berater zu überzeugen.

Klassiser der geistlichen Musik funktionieren immer

Allerdings besteht der Trauungsgottesdienst nicht nur aus Orgelmusik. Das eine oder andere Kirchenlied gehört dazu. Auch hierzu weisen die Kirchenmusiker auf eine sorgfältige Planung hin. So sollten die Brautpaare am besten gleich in die Einladung darauf hinweisen, dass während des Gottesdiensts auch gesungen werde. "Wer sich nicht sicher ist, kann sich in seiner Gemeinde gerne ein Gesangbuch leihen", erklärt Faerber. Wie schön ein Kanon daraus klingt, erleben die Besucher anhand von "Lobet und preiset ihr Völker den Herrn". "Nun danket alle Gott" funktioniert auch immer. Dieser Klassiker der geistlichen Musik sei vor allem etwas für die älteren Verwandten, weiß Faerber.

Den Rat beherzigen womöglich auch Vanessa Werschky und Oliver Baumann. Das Paar wird zwar erst im Mai kommenden Jahres im Dom heiraten. Doch beide sind der Meinung, dass es am besten sei, sich frühzeitig mit den Planungen zu befassen. "Solch ein Konzert bietet einem die Möglichkeit, in ruhiger Atmosphäre Ideen zu bekommen", findet die junge Frau. Sie ergänzt: "Orgelmusik ist ja etwas ganz Spezielles." Alleine schon deshalb würden sie sich als nächstes mit dem Kantor ihres Vertrauens in Verbindung setzen. Das ist übrigens Domorganist Stephan Leuthold.