Kommission: "bild.de" verstößt mit Fotos toter Kinder gegen Menschenwürde
Chefredakteur Reichelt: Werden uns mit allen Mitteln wehren
Die Kommission für Jugendmedienschutz hat "bild.de" vorgeworfen, mit Fotos toter syrischer Kinder gegen die Menschenwürde verstoßen zu haben. Das Internetportal wies die Vorwürfe in scharfer Form zurück.

Berlin (epd) In einem Bericht vom 29. September über die Folgen von Bombenangriffen in Syrien hatte "bild.de" verschiedene Fotografien schwer verletzter sowie toter Babys und Kinder gezeigt. Die Gesichter seien dabei "unverfremdet in Nahaufnahme" zu sehen, so dass die Opfer in mindestens zwei Fällen identifizierbar seien, kritisierte die Kommission für Jugendmedienschutz am Donnerstag in Berlin. Das Internetportal wies die Vorwürfe in scharfer Form zurück und kündigte juristische Schritte gegen das Prüfurteil der Jugendmedienkommission an.

Jugendschützer: Kinder zu Objekten der Schaulust degradiert

"Die Entscheidung, die Sie getroffen haben, ist schrecklich und falsch", schrieb Chefredakteur Julian Reichelt am Abend in einem offenen Brief an den Kommissionsvorsitzenden Andreas Fischer. "Bild" werde sie "nicht akzeptieren, sie nicht hinnehmen und mit allen Mitteln - juristisch, journalistisch, politisch - dagegen vorgehen, bis Sie sich korrigieren oder korrigiert werden und anerkennen, dass Sie bei der Wahrnehmung des Ihnen erteilten Auftrags schlicht versagt haben".

Nach Ansicht der Jugendschützer wird das Leiden und Sterben der Kinder auf den Bildern zur Schau gestellt. Sie würden zu Objekten der Schaulust degradiert. Es bestehe kein berechtigtes Interesse an dieser Art der Darstellung, da eine Verpixelung der Bilder die Aussagekraft des Artikels nicht geschmälert hätte, hieß es weiter in der Begründung. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg muss nun über die Beanstandung entscheiden.

Verstöße gegen die Menschenwürde liegen nach Angaben der Jugendmedienschutz-Kommission insbesondere dann vor, wenn Menschen leidend oder sterbend dargestellt und dabei zum Objekt herabgewürdigt werden. Zudem muss ein tatsächliches Geschehen wiedergeben werden, ohne dass ein berechtigtes Interesse gerade für diese Form der Darstellung oder Berichterstattung vorliegt.

Chefredakteur: "Höchst berechtigtes Interesse"

Reichelt verwahrte sich gegen den Vorwurf, mit dieser Berichterstattung gegen den Grundgesetzartikel zur Menschenwürde zu verstoßen. "Nicht das Foto ist die Verletzung der Menschenwürde, sondern die Fassbombe, der Giftgasangriff, das Schrapnell, das ein Kind von innen zerfetzt", schreibt der "bild.de"-Chef. Niemals werde "bild.de" sich vorschreiben lassen, wie solch abscheuliche Taten zu dokumentieren seien.

Dass ausgerechnet eine deutsche Institution im Angesicht von Menschheitsverbrechen die "Berichterstattung über Tyrannei in irgendeiner Form zu beschneiden und einzuschränken" versuche, habe er sich nicht vorstellen können, schreibt Reichelt. Die Entscheidung der Jugendmedienschutzkommission sei ein Schlag ins Gesicht derer, die aus der deutschen Geschichte gelernt hätten, und ein Angriff auf die Pressefreiheit.

Ein "höchst berechtigtes Interesse an dieser schonungslosen Darstellung" hätten die Menschen in Syrien, die täglich dem Terror des Regimes von Baschar al-Assad ausgesetzt seien, erklärte der frühere Kriegsreporter Reichelt weiter: "Ohne die Medien und diese Form der Berichterstattung wäre dieser Krieg längst vergessen."