Straßburg, Brüssel (epd) Der neue EU-Türkei-Plan in der Flüchtlingskrise stößt im Europaparlament auf scharfen Gegenwind. Wiederholt wurde in der Plenardebatte am Mittwoch in Straßburg bezweifelt, dass die beabsichtigte Rücknahme von Flüchtlingen durch die Türkei dem Völkerrecht entspricht und moralisch vertretbar ist. Liberale wie auch Linke und Grüne kritisierten den Plan, während Konservative ihn verteidigten.
Auf dem EU-Türkei-Gipfel zur Flüchtlingskrise hatte die Türkei am Montag überraschend ein neues Angebot unterbreitet. Dieses soll bis zum nächsten Gipfel geprüft werden. Im Grundsatz haben es die EU-Regierungen aber begrüßt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem möglichen "Durchbruch".
Dem Vorschlag zufolge würde die Türkei künftig alle irregulär auf die griechischen Inseln gelangten Migranten zurückzunehmen - also auch Menschen, die bislang in der EU Anspruch auf Schutz haben. Nur für jeden zurückgenommenen Flüchtling aus Syrien würde im Gegenzug ein syrischer Flüchtling direkt aus der Türkei auf legalem und sicherem Weg nach Europa kommen dürfen.
Verhofstadt: Regelung "höchst problematisch"
Die beabsichtigte Regelung sei "höchst problematisch", sagte der Chef der Liberalen im Europaparlament, Guy Verhofstadt: "Wir blockieren kollektiv den Eingang zur Europäischen Union für Syrer und andere, und die Türkei kann auf individueller Basis dann entscheiden: Wer ist jetzt hier Flüchtling, und wer darf rein?" Einem Kurden aus dem Irak beispielsweise könnte der Weg in die EU verweigert werden. Verhofstadt verwies auch auf die Genfer Flüchtlingskonvention, die in der Türkei nur eingeschränkt gilt.
"Was für ein schäbiges Bild geben wir als EU gegenwärtig ab?" fragte Linken-Chefin Gabi Zimmer: "Wer Flüchtlinge, Asyl- und Schutzsuchende nach nationaler, regionaler Herkunft definiert und gegenseitig tauscht, verstößt gegen internationale Abkommen." Der Grünen-Politiker Philippe Lamberts hieß legale Zugangswege in die EU gut: "Aber dieser Weg darf nicht nur für Syrer existieren."
Gianni Pittella, Chef der Sozialdemokraten, forderte eine Lösung unter Wahrung der Genfer Konvention. Der SPD-Abgeordnete Knut Fleckenstein fragte: "Wie wird sichergestellt, dass die individuelle Prüfung beim Asylverfahren nicht ausgehebelt wird?"
Unterstützung von den Konservativen
Ulrike Trebesius (Alfa) kritisierte, die EU mache sich erpressbar, wenn die Türkei für sie die Grenzen schützen solle. Dabei sei die Türkei ein Land, "das es weder mit der Demokratie noch mit den Frauenrechten so genau nimmt, das bei der Presse-Unfreiheit neue Maßstäbe setzt".
Unterstützung bekam der Plan von den Konservativen. "Den Schmugglern das Handwerk legen, das Durchwinken zu beenden, die illegale Migration aus der Türkei nach Griechenland zu unterbinden, all das sind richtige Antworten", sagte ihr Fraktionschef, der deutsche Abgeordnete Manfred Weber (CSU). Herbert Reul (CDU) antwortete auf Bedenken, mit der Türkei zusammenzuarbeiten: "Sollen wir denn so weitermachen wie bisher, Flüchtlinge da verrecken lassen, in Boote steigen lassen, und keine Lösung haben?"
Die Pläne seien ein willkommener Ansatz, den "Strom der Migranten" zu beenden und "das Geschäftsmodell der Schmuggler zu brechen", sagte auch die niederländische Ministerin Jeanine Hennis-Plasschaert, die vor der Volksvertretung die europäischen Regierungen vertrat. Ähnlich äußerte sich EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis.